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Thiermärchen der Siebenbürger Sachsen gesammelt (und in einem Programm herausgegeben) von Joseph Halterich. Kronstadt 1855.

Eine sorgfältige Sammlung „deutscher Volksmärchen aus dem Sachsenlande in Siebenbürgen“ von demselben Verfasser wird bald gedruckt er scheinen.

Ich rechne es mir zum Verdienst an, daß ich Bücher hier übergehe, die nicht das geringste Neue enthalten, sondern aus andern zusammengetragen sind, oder eigene Erfindungen liefern, die für uns keinen Werth haben.

Wie einsam stand unsere Sammlung, als sie zuerst hervor trat, und welche reiche Saat ist seitdem aufgegangen. Man lächelte damals nachsichtig über die Behauptung daß hier Gedanken und Anschauungen erhalten seien, deren Anfänge in die Dunkelheit des Alterthums zurück giengen: jetzt findet sie kaum noch Widerspruch. Man sucht nach diesen Märchen mit Anerkennung ihres wissenschaftlichen Werths und mit Scheu an ihrem Inhalt zu ändern, während man sie früher für nichts als gehaltlose Spiele der Phantasie hielt, die sich jede Behandlung müßten gefallen lassen.

Das neu zu Tag geförderte verdient nähere Betrachtung, ich will dabei an dem äußersten Rand des Horizonts beginnen. Ein malayisches Märchen erscheint ebenso anmuthig in der Darstellung als eigenthümlich in der Auffassung. Zwar eine Brautwerbung ist ein so gewöhnliches Ereignis daß die Sagen aller Völker davon berichten, aber daß der Werbende vor einer der gestellten Bedingungen zurückweicht, macht einen Gegensatz zu der Bereitwilligkeit, womit er sonst den gefährlichsten sich unterzieht. Ein König will dem Rath der Großen seines Reichs folgen und nach dem Tod seiner Gemahlin sich wieder vermählen, aber er besteht darauf keine andere zu nehmen als die Fürstin von Ledang die in weiter Ferne auf einem schwer zugänglichen Berg wohnt. Boten gehen ab, doch nur einer wagt sich auf den schwierigen Pfad. Ihm droht erst Frost und Kälte, dann gelangt er in einen Wundergarten, wo die Vögel in fremdartigen Tönen sich hören lassen, die Citronen rauschen, die Weinbeeren kichern, die Pomeranzen lächeln, die Rosen singen. Die Fürstin erscheint in der Gestalt einer buckeligen Alten und erklärt ihren Willen sich nur dann mit dem König zu vermählen, wenn er eine goldne und eine silberne Straße von Malacca nach Ledang bauen lasse, wenn

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 360. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_360.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)