Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 363.jpg

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beide Jünglinge zusammensitzen und essen, läßt der Reiche die Frau rufen und heißt sie ihm gleich Wasser zum Waschen bringen. Sie antwortet „bin ich deine Sklavin, daß du so sprichst?“ Es erhebt sich ein Zank zwischen beiden, und die Frau verflucht den Mann. Da sagt er „geh und verlaß mein Haus, ich habe dich nicht weiter nöthig, geh heim. Ich will dich nicht weiter meine Frau nennen, such dir einen andern Mann, ich habe nichts weiter mit dir zu schaffen.“ Die Frau nimmt ihre Sachen und geht in das Haus ihres Vaters, der nichts von der Verabredung der beiden Freunde weiß. Sie wird darauf die Frau des Armen, der Reiche gibt ihm zwanzig Pfund Kupfergeld, um sich dafür bei dem Priester trauen zu lassen, auch die nöthigen Kleider. Am folgenden Tag geht der Arme zu seinem Freund und kündigt ihm seine Verheirathung an. Dieser ist erfreut darüber und versichert daß nichts in der Welt ihre Freundschaft auflösen könne. Als die Frau nach einem Jahr einen Knaben gebiert, bringt der Reiche einen Widder, eine Geis, Geflügel und allerlei Speisen, um die Gäste zu bewirthen, wenn das Kind einen Namen erhalte. Im dritten Jahr gebiert die Frau ein Mädchen. Danach legt sich eines Tags der Reiche zu Bett, stöhnt und stellt sich an als wenn er heftig erkrankt wäre. Der Arme bringt ihm Arznei, aber sie wirkt nicht. Er ruft einen alten Mann herbei, weiß aber nicht daß dieser mit dem Reichen sich verabredet hat. Der Alte sagt auf Antrieb des Reichen zu dem Armen „du mußt deinen Knaben deinem Freund übergeben, damit er ihn tödte: wenn er dessen Blut sieht, so wird er gesund, wo nicht, so muß er sterben.“ Der Arme geht heim, führt das Kind an seiner Hand herbei und übergibt es seinem Freund. Der Alte spricht zu ihm „du kannst heimgehen; morgen wirst du sehen ob dein Freund gesund ist oder nicht.“ Als er fort ist, läßt der Reiche den Knaben nach einem benachbarten Ort bringen, wo er verborgen gehalten wird. Der Alte tödtet einen Widder und sprengt sein Blut auf den Boden. Dann essen sie beide in der Nacht das Fleisch des Widders, die Knochen aber werfen sie in eine Grube, so daß jede Spur verschwindet. Am andern Morgen kommt der Arme, der Reiche spricht „meine Krankheit ist geschwunden.“ Er zeigt ihm die Spuren des Blutes auf dem Boden, aber der Freund bleibt standhaft. Der Reiche spricht „Gott segne dich, ich kann dir nicht vergelten was du an mir gethan hast. Wir wollen Freunde bleiben, bis der Herr uns trennt.“ So dauert ihre Freundschaft

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 363. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_363.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)