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Zweites Kapitel


Musik auf der Guillotine


Als ich in die Stadt einzog, war ich ganz betroffen von dem Ausdruck der Bestürzung, der auf allen Gesichtern lag. Jeder, den ich darüber befragte, sah mich mißtrauisch an und ging schnell weiter, ohne mir zu antworten. Was mochte da nur Außerordentliches vorgehen? Nachdem ich mich durch die Menge, die sich in den düsteren, schmutzigen Straßen umhertrieb, durchgearbeitet hatte, kam ich bald auf den Fischmarkt. Da, das erste Ding, das mir wie ein Schlag vor Augen trat, war die Guillotine, die mit roten Planken über die schweigende Menge ragte. Ein Greis lag festgebunden auf dem Unglücksbrett, wie ein Schlachtopfer … Plötzlich höre ich Trompetenstöße. Auf der Estrade war ein Orchester und an der Spitze saß ein noch junger Mann in einem Revolutionsmantel, den man damals Carmagnole nannte, mit schwarzen und blauen Streifen benäht. Dieser Mann, dessen Gebärde eher mönchische als militärische Gewohnheiten andeutete, stützte sich nachlässig auf einen Kavalleriesäbel; der ungeheure Korb des Säbels stellte eine Freiheitsmütze dar. In seinem Gürtel steckten ein paar Pistolen, und auf seinem Hut, der auf spanische Art aufgeschlagen war, schwankte eine Feder, bemalt in den nationalen drei Farben: ich erkannte Joseph Lebon. (Dieser berühmte Revolutionär war zuerst Priester gewesen und übte später als außerordentlicher Kommissär des Nationalkonvents eine terroristische Gewalt aus.) In diesem Moment belebte sich sein gemeines Gesicht durch ein widerwärtiges

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_039.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)