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von achtzehn Jahren war, die überall die Blicke auf sich zog. Die Österreicher hatten ihnen ein Schiff mit einer Haferladung – dies repräsentierte das ganze Vermögen der Familie – weggenommen, und die armen Leute hatten nur noch die Kleider, die sie auf dem Leibe trugen. Sie suchten Zuflucht bei meinem Wirt, der mit ihnen verwandt war. Die ganzen Umstände ihrer schlimmen Situation und vielleicht auch die Schönheit des jungen Mädchens – sie hieß Delphine – rührten mich.

Während ich auf Rekognoszierung ging, hatte ich das Schiff gesehen; der Feind entlud es nur allmählich und nach Maßgabe der Futterverteilung. Ich schlug zwölf meiner Kameraden vor, den Österreichern ihre Beute wieder abzunehmen. Der Oberst gab seine Einwilligung dazu und in einer regnerischen Nacht machten wir uns an das Schiff heran. Die Bordwache hatte uns nicht bemerkt; wir schickten sie zu den Fischen der Schelde und gaben ihr fünf Bajonettstiche mit auf den Weg. Die Frau des Schiffsbesitzers, die durchaus hatte mit uns gehen wollen, lief sofort auf einen Sack mit Gulden zu, den sie im Hafer verborgen hatte, und bat mich, ihn zu mir zu nehmen. Wir lösten sofort die Schiffstaue, um das Schiff bis zu einem Platz treiben zu lassen, wo wir einen verschanzten Posten hatten. Aber im Moment, da es sich zu bewegen begann, wurden wir überrascht von dem „Wer da?“ eines Postens, den wir nicht inmitten des Rosengebüsches, von dem er umgeben war, bemerkt hatten. Sofort beim ersten Flintenschuß, von dem der zweite Anruf begleitet war, trat der benachbarte Posten ins Gewehr. In einem Augenblick war das Ufer von Soldaten bedeckt, die ein Hagelfeuer von Kugeln auf das Schiff regnen ließen. Wir mußten das Schiff also wieder verlassen. Meine Kameraden und ich sprangen in eine Schaluppe, die uns an Bord geführt hatte; ebenso die Frau. Aber der Schiffer, den wir in dem Getümmel vergessen hatten, oder den eine letzte Spur von Hoffnung zurückhielt, fiel in die Hände der Österreicher, die ihn weder mit Faustschlägen noch mit Peitschenhieben verschonten. Dieser Versuch

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_048.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)