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Ausweg zu finden. Da erfuhren wir, der Personalstand der Fliegenden Armee sei in dem eroberten Landstrich so beträchtlich geworden, daß die Regierung endlich die Augen aufmachte und die strengsten Maßregeln zur Unterdrückung dieses Unfugs erließ. Wir legten also die Uniformen ab und glaubten, daß wir nun nichts mehr zu fürchten hätten. Aber die Nachforschungen wurden derartig energisch abgehalten, daß der General Hals über Kopf die Stadt verlassen mußte und nach Namur ging, weil er glaubte, dort weniger aufzufallen. Ich erklärte der Baronin die plötzliche Abreise damit, daß ich ihr sagte, der General sei in Ungelegenheiten geraten, weil er mir, da ich unter falschem Namen lebte, Gefälligkeiten erwiesen habe. Dieser Vorfall flößte der Baronin die größten Besorgnisse für mich selbst ein, und ich konnte sie nicht eher beruhigen, als bis ich nach Breda abreiste, wohin sie mich durchaus begleiten wollte.

Es würde mir schlecht stehen, wenn ich den Sentimentalen spielen wollte, und es hieße den Ruf von Feingefühl und Takt, den man mir doch im allgemeinen so ziemlich zubilligt, bloßstellen, wenn ich hier mit schönen Gefühlen protzen wollte. Man kann mir also hier glauben, wenn ich einfach erkläre, daß soviel Zuneigung mich rührte. Die Stimme der Gewissensbisse, für die man mit neunzehn Jahren nie ganz und gar taub ist, regte sich. Ich sah den Abgrund, in den ich diese prachtvolle Frau, die sich so großmütig gegen mich zeigte, hineinziehen mußte. Ich sah voraus, wie sie bald mit Abscheu den Deserteur, Landstreicher, den Bigamisten, den Fälscher zurückstoßen würde, und diese Vorstellung bewog mich, ihr alles zu gestehen. Ich war nun fern von jenen, die mich in diese Intrige verwickelt hatten – eben waren sie übrigens in Namur verhaftet worden; und so wurde ich in meinem Entschluß noch bestärkt. Eines Abends, als wir gerade das Nachtessen beendet hatten, entschied ich mich, das Geheimnis zu verraten. Ich ging nun nicht auf die Einzelheiten meiner Abenteuer ein, sondern ich sagte der Baronin, daß Umstände, die ich ihr unmöglich erklären könnte, mich gezwungen

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_066.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)