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brach ihre Eifersucht in wilden Vorwürfen gegen meine Undankbarkeit los; im Übermaß ihrer Wut schwur sie sogar, mich verhaften zu lassen. Mich ins Gefängnis zu setzen, das war gewiß das sicherste Mittel gegen meine Untreue. Aber Francine war eine Frau, die imstande war, zu tun, was sie sagte, und so hielt ich es für klug, ihren Zorn verrauchen zu lassen und erst nach Ablauf einiger Zeit wieder bei ihr aufzutauchen, um gemeinsam mit ihr abzureisen, wie wir es verabredet hatten. Da ich indes meine Sachen nötig hatte und sie nicht von ihr verlangen wollte, aus Furcht vor einer neuen Explosion, so begab ich mich heimlich allein in das Zimmer, das wir bewohnten und dessen Schlüssel sie besaß. Ich sprenge einen Fensterladen, ich nehme, was ich brauche und verschwinde.

Fünf Tage vergehen: Als Bauer verkleidet, verlasse ich den Zufluchtsort, den ich mir in einer Vorstadt gewählt hatte. Ich gehe in die Stadt und begebe mich zu einer Schneiderin, einer intimen Freundin von Francine, deren Vermittlung für unsere Versöhnung ich in Anspruch zu nehmen gedachte. Aber diese Frau empfängt mich mit einer Miene, die soviel verlegenen Schreck ausdrückt, daß ich fürchte, ihr lästig zu sein, indem ich sie kompromittiere, und so bitte ich sie lediglich, meine Mätresse holen zu wollen. – Ja! … sagt sie mir darauf mit einer ganz merkwürdigen Miene, und ohne mir ins Gesicht zu sehen. Sie geht, ich bin allein und denke nach über diesen seltsamen Empfang …

Man klopft; ich öffne, im Glauben, Francine in meine Arme zu schließen … Da fällt eine Wolke von Gendarmen und Polizeiagenten über mich her, sie ergreifen mich, binden mich und führen mich vor den Untersuchungsrichter, der mich zu allererst fragt, wo ich seit fünf Tagen gewohnt habe. Meine Antwort zu kurz: Ich hätte niemals die Personen preisgegeben, die mich bei sich aufgenommen hätten. Der Beamte bemerkte mir, daß meine Hartnäckigkeit, keine Erklärungen abgeben zu wollen, mir verderblich werden könnte, daß es um

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_090.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)