Seite:Landstreicherleben 122.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ziemlich gutes Bett, während die anderen auf Feldbetten schliefen.

Zu jener Zeit mochte das Gefängnis Bicêtre, das eine besonders scharfe Bewachung hatte, etwa zwölfhundert Gefangene zählen. Sie waren furchtbar zusammengepfercht, und die Haltung der Wärter war nicht dazu angetan, das Schreckliche ihrer Lage zu mildern: wütende Gesichter, barsche Stimmen, grobe Reden. Sie taten stets so, als sei der Gefangene ihr Todfeind, aber eine Flasche Wein oder ein Taler besänftigte sie bald. Sie ließen schließlich jede Ausschweifung, jedes Laster zu, und wenn man nur keinen Fluchtversuch machte, konnte man im Gefängnis alles tun, was man wollte. So machten die Personen, die wegen Sittlichkeitsverbrechens eingesperrt waren, im Gefängnis die hohe Schule des Lasters durch, und die Diebe trieben im Gefängnis selbst ihr Gewerbe weiter, ohne daß je ein Aufseher Anzeige darüber erstattet hätte.

Kam aus der Provinz ein Mann in guter Kleidung an, der zum erstenmal eine Strafe verbüßte und noch nicht in die Sitten und Bräuche des Gefängnisses eingeweiht war, so riß man ihm im Nu seine Kleider vom Leibe, und verkaufte sie ruhig in seiner Gegenwart an den Meistbietenden. Hatte er Schmuck oder Geld bei sich, so ging’s dem ebenso, und wenn es zu lange dauerte, die Ohrringe von den Ohren loszumachen, so riß man sie mitsamt dem Ohrläppchen ab. Der Betroffene wagte aber nicht, das anzuzeigen. Man warnte ihn im voraus, daß man ihn dann in der Nacht an den Pfosten seiner Zelle aufknüpfen würde.

Das waren aber nicht die einzigen Mißstände – es gab noch viel schrecklichere. Die Unverschämtheit der Diebe und die Verworfenheit der Aufseher ging so weit, daß man im Gefängnis ganz offen Prellereien und Spitzbübereien vorbereitete, die dann außerhalb des Gefängnisses ausgeführt wurden. Ich will nur eine dieser Machinationen schildern; sie wird genügen,

Empfohlene Zitierweise:
Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_122.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)