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wenig. Der größte Teil der Gefangenen hatte durch einen längeren Aufenthalt im Gefängnis seine ohnehin schwachen Geldquellen schon erschöpft.

Um zu seinem Nutzen an Transportkosten zu sparen, ließ der Hauptmann den Trupp die Reise zu Fuß machen! Dieser Trupp war einer der wildesten von den Verurteilten. Er war ein wahres Unglück für die Frauen, die ihm begegneten, und für die Kaufmannsbuden, die am Wege lagen. Die Frauen wurden auf die tierischste Art vergewaltigt. Die Läden waren in einem Augenblick ausgeplündert, wie ich es in Morlaix bei einem Krämer sah, der weder Brot noch Zucker, noch auch ein einziges Pfund Seife übrig behielt. Und was taten nun die Wärter, während diese Dinge begangen wurden? Die Wärter spielten die Eifrigen, ohne auch nur den geringsten wirklichen Widerstand zu leisten. Denn sie waren sicher, aus dem Raub Nutzen zu ziehen; die Sträflinge mußten sich nämlich, um ihre Beute zu verkaufen oder gegen Spirituosen einzutauschen, an die Wärter wenden. Jedesmal, wenn neue Verurteilte unterwegs zu unserem Zug stießen, wurden sie von den Kameraden ausgeraubt. Kaum standen sie bei Fesselanschmieden still, als ihre Nachbarn sich auf sie stürzten und ihnen ihr bißchen Geld abnahmen.

Aber die Profoßen wehrten nicht etwa diesen Räubereien, sondern sie ermunterten sogar noch dazu. Ein Gefangener, ehemaliger Gendarm, hatte einige Louisdore in seiner Lederhose eingenäht. Kaum ahnten das die Profoßen, da hieß es: „Der hat’s dick sitzen!“ und in drei Minuten war der arme Teufel ausgezogen. Einmal stieß das Schlachtopfer ein lautes Geschrei aus, um die Profoßen zu Hilfe zu rufen. Die kamen auch, als alles vorbei war, aber nur, um mit Stockschlägen über den Beraubten selbst herzufallen.

Diese Reise toller Quälereien währte vierundzwanzig Tage. Endlich kamen wir in Pont-à-Lezen an. Hier wurde man in ein Zweighaus des Zuchthauses gebracht. Die Galeerensklaven hatten hier eine Art Quarantäne durchzumachen, damit sie sich von

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_131.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)