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den Anstrengungen erholen könnten, und auch, damit festgestellt würde, ob unter ihnen ansteckende Krankheiten herrschten. Bei unserer Ankunft ließ man uns je zwei in einer Kufe mit lauem Wasser baden; hierauf gab man uns Kleider. Ich erhielt wie die anderen einen roten Kittel, zwei Paar Hosen, zwei Segeltuchhemden, zwei Paar Stiefel und eine grüne Mütze. Jedes Stück dieser Ausrüstung trug die Buchstaben GAL., auf der Mütze war außerdem ein Blechtäfelchen befestigt, auf dem die Nummer und das Eintragungsregister notiert waren. Darauf legte man uns Handfesseln an, aber diesmal jedem einzeln.

Das Zweighaus in Pont-à-Lezen war eine Art Lazarett. Die Aufsicht war nicht besonders streng. Man versicherte mir sogar, es sei ziemlich leicht, aus den Sälen zu entkommen und über die Mauer zu klettern. Ich hatte diese Auskunft von einem gewissen Blondy, der bereits einmal aus dem Bagno zu Brest geflüchtet war. Ich traf alle Vorbereitungen, um die günstige Gelegenheit zu benutzen.

Man gab uns manchmal Brote, die bis zu achtzehn Pfund wogen. Einen solchen Laib hatte ich ausgehöhlt und darin versteckte ich ein Hemd, eine Hose und einige Tücher. Das war ein Koffer besonderer Art: er wurde nie untersucht. Der Leutnant hatte mich keiner speziellen Überwachung empfohlen, ganz im Gegenteil: als er mit dem Polizeikommissar über mich sprach, meinte er, wenn alle so ruhig wären wie ich, dann könnte man den Arrestantenzug wie „ein Mädchenpensionat“ führen.

Ich flößte keinen Argwohn ein. Bald machte ich mich an die Verwirklichung meines Vorhabens. Zunächst handelte es sich darum, die Saalmauer zu durchbrechen. Eine Stahlschere, die ein Galeerensbirre, der die Handfesseln befestigte, an meiner Pritsche hatte liegen lassen, diente mir dazu, ein Loch zu bohren. Blondy hatte meinen Fesseln durchsägt. Darauf machten meine Kameraden eine Puppe und legten sie auf meinen Platz, um die Stockknechte über Nacht zu täuschen. Bald befand ich mich, mit meinen Sachen versehen, im Hof der Niederlage.

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_132.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)