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schwer verwundet. Zwei Monate später wurde er in Brügge hingerichtet.

Ich reiste also in aller Eile ab. Am dritten Tage stand ich vor Arras; ich betrat die Stadt abends, zur Zeit, da die Arbeiter von ihrer Arbeit zurückkommen. Ich stieg nicht direkt bei meinen Eltern ab, sondern bei einer meiner Tanten, und sie benachrichtigten meine Eltern. Die hatten schon geglaubt, ich seit tot; meine zwei letzten Briefe hatten sie nicht erhalten. Ich erfuhr nie, wodurch sie verloren gegangen oder ob sie unterschlagen worden waren.

Ich erzählte ihnen des langen und breiten von meinen Irrfahrten und fragte dann meinerseits nach den Neuigkeiten in der Familie; das brachte mich natürlich auch darauf, mich nach meiner Frau zu erkundigen. Da erfuhr ich, daß mein Vater sie eine Zeitlang bei sich aufgenommen hatte; ihre Ausschweifungen waren aber dermaßen skandalös geworden, daß man sie in Schande aus dem Hause jagen mußte. Sie war nun, wie es hieß, von einem Anwalt in der Stadt schwanger, der auch für sie sorgte; aber seit einiger Zeit hörte man nichts von ihr und kümmerte sich auch nicht weiter um sie.

Ich ließ mir ihretwegen auch keine grauen Haare wachsen: ich hatte eben an andere Dinge zu denken. Jeden Augenblick konnte ich entdeckt, verhaftet werden und meine Eltern in die größte Verlegenheit setzen. Die Zeit drängte, ich mußte einen Zufluchtsort finden, auf den die Aufmerksamkeit der Polizei weniger gerichtet war, als auf Arras.

Wir wandten uns nach einem Dorfe in der Umgegend, Ambercourt. Hier lebte ein ehemaliger Karmelitermönch, ein Freund meines Vaters. Er verstand sich dazu, mich bei sich aufzunehmen. Zu jener Zeit (1798) mußten noch die Priester den Gottesdienst heimlich abhalten, obwohl man sie nicht mehr anfeindete. Pater Lambert, mein Wirt, las die Messe in einer Art Scheune; da er nur einen gebrechlichen Greis zur Hilfe hatte, so erbot ich mich, das Amt eines Sakristans zu erfüllen,

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_162.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)