Seite:Landstreicherleben 163.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

und ich benahm mich so gut dabei, als ob ich mein Lebtag nichts anderes getan hätte. Ebenso wurde ich Pater Lamberts Stütze bei dem Unterricht, den er den Kindern in der Nachbarschaft erteilte. Die Fortschritte meiner Schüler erregten sogar ein gewisses Aufsehen in der Umgegend, besonders, seitdem ich ein ausgezeichnetes Mittel erfunden hatte, diese Fortschritte zu fördern: ich schrieb nämlich meinen Zöglingen die Buchstaben mit Bleistift vor, und sie malten sie mit der Feder nach; Radiergummi tat das übrige. Die Eltern waren entzückt, nur fiel es den Kindern schwer, ohne den Lehrmeister zu schreiben. Aber die Bauern von Artois, obwohl sie selbst zu jeder Art von Betrug geneigt sind, hatten die Güte, den Trick nicht zu durchschauen.

Diese Art von Leben sagte mir ziemlich zu. In der Kleidung des Laienbruders, die von der Obrigkeit geduldet war, brauchte ich keinen Verdacht zu fürchten. Andererseits war das Essen, für das ich stets viel übrig hatte, recht gut, denn die Eltern schickten uns jeden Augenblick Bier, Geflügel oder Obst. Zudem hatte ich unter meinen Schülerinnen einige niedliche Bauernmädchen, die für meine Unterweisungen sehr gelehrig waren.

Eine Zeitlang ging alles recht gut vonstatten, aber endlich wurde man doch mißtrauisch gegen mich. Man belauschte mich, man verschaffte sich die Gewißheit, daß ich eine zu weitgehende Auffassung von meinen Pflichten hatte, und beschwerte sich bei Pater Lambert. Er sagte mir, welche Anklagen gegen mich erhoben wären, ich leugnete alles. Die Kläger verstummten, aber sie verdoppelten ihre Wachsamkeit. Eines Nachts, als ich, vom klassischen Eifer getrieben, gerade dabei war, einer sechzehnjährigen Schülerin in meinem Heuschober eine Lektion zu geben, packten mich vier Brauerknechte, rissen mir die Kleider vom Leibe, schleppten mich durch ein Hopfenfeld und peitschten mich mit Brennesseln und Disteln bis aufs Blut. Der Schmerz war so heftig, daß ich ohnmächtig wurde; als ich wieder zu mir kam,

Empfohlene Zitierweise:
Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_163.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)