Seite:Landstreicherleben 165.jpg

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Ich lag an einem Mast ausgestreckt und dachte über dieses seltsame Verhängnis nach; da stieß mich ein Matrose von der Bemannung mit dem Fuß und sagte, ich müßte aufstehen, um die Schiffsuniform in Empfang zu nehmen. Ich tat, als ob ich ihn nicht verstände; nun erschien der Zeugmaat und wiederholte die Order auf französisch. Ich bemerkte darauf, ich sei ja nicht Matrose, da ich keinen Vertrag unterschrieben hätte. Er griff nach einem Tau, als wollte er mich schlagen; bei dieser Bewegung sprang ich auf, packte das Messer eines Matrosen, der unter dem großen Mast frühstückte, lehnte mich an die Kanone, und schwor, daß ich jedem, der mich anrührte, den Bauch aufschlitzen würde. Großer Lärm unter der Bemannung. Der Kapitän erschien auf dem Verdeck. Es war ein Mann von vierzig Jahren mit gutmütigem Gesicht; seine Manieren hatten nichts von der Barschheit, die den Seeleuten sonst eigen ist. Er hörte freundlich meine Weigerung an; das war aber auch alles, war er tun konnte, denn in seiner Macht stand es nicht, die Seeorganisation seiner Regierung zu ändern.

In England, wo der Dienst auf den Kriegsschiffen härter, weniger einträglich und vor allem weniger frei ist als auf den Handelsschiffen, rekrutierte sich die Staatsmarine noch mit der Hilfe der „Presse“. In Kriegszeiten wird das Preßsystem auch auf Handelsschiffen gehandhabt, wo die erschöpften und kranken Matrosen durch frisches und tüchtiges Menschenmaterial ersetzt werden sollten, aber im allgemeinen werden dort nur Leute genommen, deren Aussehen und Kleidung vermuten läßt, daß sie mit der See vertraut sind. In Holland dagegen verfuhr man zu jener Zeit, von der ich spreche, fast wie in der Türkei: wenn es dringend kam, warf man auf die Kriegsschiffe Maurer, Stallknechte oder Barbiere, Menschen also, die sonst sehr nützlich sind. Wenn bei Verlassen des Hafens ein Fahrzeug mit solcher Bemannung zum Treffen genötigt wird, dann werden alle Manöver falsch; dieser Umstand erklärt vielleicht, warum so viel türkische Fregatten von den miserablen

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_165.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)