Seite:Landstreicherleben 216.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

nach Herrn Delrue und Carpentier geschossen haben soll … Und das ist nicht alles; wenn er will, kann er sich in ein Bündel Heu verwandeln.“

„In ein Bündel Heu?“ rief ich ganz erstaunt über die neue Fähigkeit, die man mir zuschrieb … „In ein Bündel Heu? … Aber wie? …“

„Ja, gewiß … Mein Vater verfolgte ihn eines Tages; in dem Moment, da er ihn am Kragen packen wollte, hatte er bloß ein Bündel Heu in Händen … Ganz gewiß, die ganze Brigade hat das Heubündel gesehen, das dann im Hof verbrannt wurde.“

Ich begriff die Geschichte nicht. Später erklärte man mir, daß die Polizeiagenten, denen es nie gelang, mich zu fassen, in ihrer Verzweiflung dieses Gerücht unter den abergläubischen Einwohnern von Arras verbreitet hatten. Aus demselben Grunde brachten sie in Umlauf, ich sei ein Werwolf in zweiter Gestalt, eine recht problematische Erscheinung, die die stärksten Geister der Gegend mit Schrecken erfüllte. Zum Glück wurde dieser Schrecken von den hübschen Weibern nicht geteilt, deren Gunst ich genoß; hätte sich der Eifersuchtsteufel nicht plötzlich der einen von ihnen bemächtigt, so würde sich die Obrigkeit noch lange mit mir beschäftigt haben. Aus Verdruß über mich hielt sie nicht den Mund, und die Polizei erhielt noch einmal die Gewißheit, daß ich mich in Arras aufhalte.

Eines Abends, als ich, ohne Arges zu denken, und nur mit einem Stock bewaffnet, über eine Brücke gehe, werde ich von sieben oder acht Individuen überfallen. Es sind verkleidete Polizeiagenten. Sie packen mich am Kragen, und schon hielten sie sich ihres Fanges für sicher, als ich mich mit einem kräften Stoß losreiße, mich über das Geländer schwinge und in den Fluß stürze. Es war im Dezember; das Wasser ging hoch, der Fluß war reißend. Keinem der Polizisten fiel es auch nur im Traume ein, mir nachzuspringen; sie glaubten das beste zu tun, wenn sie mich am Ufer erwarteten. Aber eine tiefe Gosse gab

Empfohlene Zitierweise:
Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_216.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)