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begangen hätten, den sie mir verheimlichten; aber bald entdeckte ich, daß es sich um ein weit schwereres Verbrechen handelte.

Zwei Tage nach der Rückkehr Saint-Germains hatte ich den Einfall, nach dem Wagen zu sehen, den er mitgebracht hatte. Zunächst fiel mir auf, daß das Schild abgenommen und ein anderes an seiner Stelle war. Bei der Besichtigung des Inneren fand ich auf dem weißen und blauen Zwillichfutter rote, frisch ausgewaschene Flecken. Als ich den Kasten öffnete, um den Schraubenschlüssel zu holen, fand ich ihn voll Blut, als ob eine Leiche darin gesteckt hätte. Nun war alles klar. Die Wirklichkeit war viel entsetzlicher als meine Vermutungen. Ich zögerte keinen Augenblick. Da mir vielleicht noch mehr als den Mördern daran lag, die Spuren zu vernichten, fuhr ich die folgende Nacht den Wagen an das Ufer der Seine. In der Nähe von Bercy, an einem einsamen Orte, füllte ich den Wagen mit Stroh und trockenem Holz und steckte ihn in Brand. Ich entfernte mich erst, als alles in Asche verwandelt war.

Als ich am nächsten Morgen Saint-Germain meine Beobachtungen mitteilte, ohne ihm übrigens zu sagen, daß ich den Wagen verbrannt hatte, gestand er mir endlich, was darin gewesen war: die Leiche eines Fuhrmanns, der zwischen Louvres und Dammartin von Blondy ermordet worden war, bis sich Gelegenheit bot, ihn in einen Brunnen zu werfen. Saint-Germain, einer der schlimmsten Schurken, die ich je gesehen habe, sprach von diesem Vorfall, als ob es sich um die unschuldigste Sache von der Welt handelte. Mit einem Lächeln auf den Lippen und dem gleichgültigsten Ton berichtete er mir die kleinsten Einzelheiten. Er flößte mir Entsetzen ein; ich hörte ihm in einer Art Betäubung zu. Als er mir aber erklärte, daß ich ihm die Schlüssel von einer Wohnung verschaffen müßte, deren Besitzer ich kannte, da erreichte mein Entsetzen seinen Höhepunkt. Ich versuchte einige Einwände zu machen.

„Was geht mich all das an?“ rief er. „Wozu die dummen Rücksichten? Nur weil du ihn kennst! … Ein Grund mehr dafür!

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 290. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_290.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)