Seite:Landstreicherleben 301.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

waren ja mit meinem Gelde angeschafft worden, ich ließ mir nur meine Auslagen zurückerstatten. Chevalier gehorchte mit saurer Miene.

Ein Fenster, das nach dem Garten ging, war mit zwei eisernen Stangen vergittert. Ich befahl Chevalier, eine davon zu entfernen. Da er sich dabei recht ungeschickt benahm, so legte ich selbst Hand mit an, ohne daß er bemerkte, daß das Messer, das ihm soviel Furcht einflößte, dabei aus meiner Hand in die seine gewandert war. Nach beendeter Prozedur nahm ich die Waffe wieder zu mir.

„Und jetzt,“ sagte ich zum ihm und den Frauen, die immer noch vor Schreck zitterten, „jetzt könnt ihr alle zu Bett gehen.“

Ich war zum Schlafen nicht aufgelegt. Ich warf mich in einen Sessel und verbrachte so eine unruhige Nacht.

Bei Tagesgrauen ließ ich Chevalier wecken und fragte ihn, ob er bei Geld sei. Auf seine Antwort, er besitze nur etwas Kleingeld, hieß ich ihn die vier silbernen Bestecke nehmen, die er meiner Freigebigkeit zu verdanken hatte, ließ ihn noch Ausweispapiere zu sich stecken und befahl ihm, mir zu folgen. Ich bedurfte eigentlich seiner nicht mehr, aber es wäre gefährlich gewesen, ihn zu Hause zurückzulassen, denn er hätte die Polizei auf meine Spur bringen können, bevor ich in Sicherheit war. Chevalier gehorchte. Vor den Frauen hatte ich weniger Angst. Da ich einen wertvollen Bürgen mit mir nahm, und sie im übrigen nicht ganz die Gesinnung dieses Mannes teilten, so begnügte ich mich damit, sie einzuschließen. Durch die stillsten Straßen der Stadt gelangten wir in die Champs-Elysées. Es war vier Uhr morgens. Wir begegneten niemandem. Die Bestecke nahm ich zu mir.

Wir trieben uns lange in der Umgegend von Chaillot herum. Chevalier, der nicht begriff, wie all das enden sollte, schritt mechanisch an meiner Seite einher. Er war ganz vernichtet und wie gelähmt. Um acht Uhr ließ ich ihn in einen Wagen steigen und begleitete ihn nach der Gegend des Bois de Boulogne, wo

Empfohlene Zitierweise:
Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 301. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_301.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)