Seite:Landstreicherleben 327.jpg

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Man wird vielleicht nicht ohne Interesse wahrnehmen, auf welche Art ich die Hauptstadt von einem dieser gefährlichen Verbrecher befreite.

Man war ihm bereits seit einigen Jahren auf der Spur, jedoch gelang es nie, ihn in flagranti zu ertappen. Die häufigen Haussuchungen in seiner Wohnung hatten zu keinem Resultat geführt, man fand nicht die geringste Ware, die als Beweis gegen ihn hätte dienen können. Trotzdem wurde fest behauptet, er kaufe den Dieben Sachen ab, und mancher Dieb, der weit davon entfernt war, meine Beziehung zu der Polizei zu ahnen, versicherte mir, der sei ein solider Mann, auf den man sich verlassen könne. Zwar fehlte es nicht an Belastungsmaterial gegen ihn, aber um ihn zu überführen, mußten bei ihm gestohlene Gegenstände gefunden werden. Henry hatte zu diesem Zweck alles mögliche in Bewegung gesetzt, doch durch die Ungeschicklichkeit der Agenten, oder durch die Geschicklichkeit des Hehlers – alles mißglückte. Man wollte nun probieren, ob ich glücklicher sein werde. Ich wagte das Unternehmen, und zwar auf folgende Art.

Ich stellte mich in der Nähe der Wohnung des Hehlers auf Wache und lauerte ihm auf. Endlich erscheint er. Ich folge ihm einige Schritte in der Straße und spreche ihn plötzlich mit einem fremden Namen an. Er behauptet, ich irrte mich; ich bestehe auf dem Gegenteil; er beharrt darauf, daß ich mich täusche, ich meinerseits erkläre ihm, daß ich in ihm eine Person erkennte, die seit längerer Zeit von der Polizei gesucht werde.

„Aber Sie verkennen mich,“ sagte er, „ich heiße so und so, und wohne da und da.“

„Das glaube ich Ihnen nicht!“

„Aber das ist doch zu stark! Wollen Sie, daß ich’s Ihnen beweise?“

Ich erkläre mich damit einverstanden, unter der Bedingung, daß er mich zur nächsten Polizeiwache begleite.

„Gerne,“ ruft er.


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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 327. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_327.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)