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schärfe dem Schlingel ein, den wehleidigen Ton anzunehmen, der für solche Gelegenheiten geziemend ist. Dann werden die übrigen Rollen verteilt. Das Finale naht. Ich heiße meine Leute die Stiefel ausziehen, entledige mich auch selbst meines Schuhzeugs und wir steigen geräuschlos hinauf. Der Bub ist in bloßem Hemde; er klingelt, keine Antwort, er klingelt wieder.

„Wer ist da?“ fragt man.

„Ich bin’s, Frau Hazard, Louis; meine Tante ist krank geworden, sie bittet Sie um ein bißchen Eau-de-Cologne. Sie krümmt sich vor Schmerzen! Ich habe ein Licht bei mir.“

Die Tür wird geöffnet, aber kaum kommt Madame Tonneau zum Vorschein, so bemächtigen sich ihrer zwei handfeste Gendarmen und stopfen ihr mit einer Serviette den Mund zu, damit sie nicht schreien kann. Im selben Augenblick stürze ich mich, schneller als der Löwe auf seine Beute, auf Fossard. Er ist ganz bestürzt, ich fessele ihn noch im Bette, und er ist mein Gefangener, noch ehe er eine Bewegung zu machen, ein Wort zu sprechen vermochte. Seine Bestürzung war derart, daß er sich fast eine Stunde lang nicht erholen konnte. Als Licht gebracht wurde, und er mein geschwärztes Gesicht und meine Köhlerkleidung erblickte, bekam er einen solchen Schrecken, daß er glaubte, er sei in der Gewalt des leibhaftigen Teufels. Als er zu sich kam, dachte er an seine Waffen, an den Dolch und die Pistolen, die auf dem Nachtisch lagen, sein Blick wandte sich dorthin, sein Körper bekam einen Ruck – aber das war auch alles: er sah ein, daß jeder Widerstand unnütz sei und verbiß seine Wut.

Es wurde eine Haussuchung vorgenommen, und man fand eine große Menge von Schmucksachen, Diamanten und eine Summe von acht- bis zehntausend Franken in bar. Während alles durchstöbert wurde, nahm mich Fossard beiseite und vertraute mir an, daß er unter dem Fußboden noch zehn Banknoten zu tausend Franken versteckt habe. „Nimm sie zu dir,“ sagte er mir, „wir wollen teilen, du kannst soviel davon behalten, wie du willst.“

Ich steckte in der Tat die Scheine zu mir. Wir bestiegen einen

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 362. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_362.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)