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schönem Gesicht, gefiel er einem gewissen Mulner, der zu sechzehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden war und begnadigt wurde, seine Strafe in Bicêtre absitzen zu dürfen. Dieser Mulner, der Bruder eines Bankiers in Antwerpen, besaß immerhin Kenntnisse. Zum Zeitvertreib wurde er Cocos Lehrer und er muß sich wohl mit Liebe seiner Aufgabe gewidmet haben, denn in kurzer Zeit konnte er Mulners Sprache fließend sprechen und schreiben. Herrn Mulners Gunst war nicht die einzige Gabe, die Coco seinem angenehmen Äußeren zu verdanken hatte. Während seiner Gefangenschaft nahm sich seiner auch ein Mädchen, die sogenannte deutsche Else, an, die in ihn rein vernarrt war. Dieses Mädchen, das ihm wirklich das Leben rettete, soll von ihm nur Undank erfahren haben.

Als Lacour mein Sekretär geworden war, konnte er absolut nicht begreifen, warum seine Geliebte, die nacheinander Obsthändlerin und Wäscherin und vorher sogar noch etwas anderes gewesen war, bloß wegen der ehrenvollen Position, die er jetzt einnahm, einen etwas feineren Beruf ergreifen sollte. Wir gerieten über diesen Punkt in Streit, und anstatt mir nachzugeben, zog er es vor, sein Amt niederzulegen. Er wurde Hausierer und verkaufte auf den Straßen Taschentücher. Aber bald, so wurde mir berichtet, fühlte er sich zu dem geistlichen Orden hingezogen und trat unter das Banner der Jesuiten. Von nun ab stand er bei einigen Beamten im Geruch der Heiligkeit. Lacour besitzt die ganze Untertänigkeit, die ihn in ihren Augen empfehlen mußte. Folgende Tatsache kann ich verbürgen: Zur Zeit seiner Verheiratung legte ihm der Beichtvater eine der schwersten Bußen auf; Lacour erfüllte sie in ihrem ganzen Umfang. Einen ganzen Monat lang stand er bei Tagesgrauen auf und ging barfuß von der Rue Saint-Anne bis zum Calvarienberge. Das war der einzige Ort, wo er seine Frau sehen durfte, die ebenfalls Buße tat.

Nach der Versetzung seines Beichtigers verdoppelte Lacour noch seinen Eifer. Er wohnte damals in der Rue Zacharie, zu seinem Kirchspiel gehörte die Kirche Saint-Séverin, aber er

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 370. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_370.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)