Sie sah ihn liebevoll an und streichelte seine heisse Stirn.
Er schloss die Augen und vermeinte, deutlich die weiche, kühle Hand zu fühlen, und eine sanfte Stimme sprach von Liebe.
Liebe? Liebe? Konnte ihn denn jemand lieben??...
Ach, das war ja unmöglich – – –
Und während er so träumte, prägte sich ein Zug qualvollen Leidens auf seinem Gesicht aus.
Da empfand er plötzlich, dass jemand neben ihm stand und ihn anredete, – – wie aus weiter Ferne tönten ihm die Worte, und es schien ihm, als sei es die Stimme, die er eben im Traume gehört.
Langsam schlug er die Augen auf und blickte in das Gesicht – –
Träumte er noch?...
„Ist Ihnen nicht wohl?“
Keine Antwort.
Ratlos starrte er sie an.
Sie war nicht verletzt durch seine Ungezogenheit, sondern wartete geduldig.
Sie stand immer noch neben ihm und wiederholte ihre Frage. Es war also kein Traum, – und da kehrte ihm die Besinnung zurück.
„Gnädiges Fräulein,“ stotterte er und sprang auf.
Hennie Raché: 'Liebe. Roman'. G. Müller-Mann’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1901, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Liebe_(Hennie_Rach%C3%A9).djvu/16&oldid=- (Version vom 24.10.2016)