Die Sehnsucht seiner Knabenjahre, das Suchen des Jünglings, das stumme Resignieren des Mannes und endlich sein Finden, das Aufwachen dieser Liebe, das Erfüllen seines brennenden Wunsches, – das ganze Schicksal seines Lebens legte er in die Töne.
Lea war bis ins innerste Mark erschüttert.
Und dann plötzlich, mitten in einer glühend leidenschaftlichen Melodie, brach er sein Spiel ab und legte die Geige hin.
Dann nahm er sein junges Weib in die Arme und trug sie hinauf, – hinauf in ihr gemeinsames Schlafgemach.
Behutsam, als könne er sie zerbrechen, setzte er sie in einen Sessel, und blieb knieend vor ihr liegen.
Lea liess willenlos alles mit sich geschehen. Sie zitterte und wehrte sich nicht, als er sie mit heissen Küssen bedeckte.
Dann begann er, und so zart, wie man es seinen Männerhänden nicht zugetraut hätte, sie zu entkleiden, und er stand staunend vor so viel Schönheit.
Er wagte kaum, sie anzurühren, aber die weiche, weisse Haut ihrer Schultern reizte ihn, sie zu streicheln, und das brachte sein Blut in Aufruhr. Er riss Lea
Hennie Raché: 'Liebe. Roman'. G. Müller-Mann’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1901, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Liebe_(Hennie_Rach%C3%A9).djvu/69&oldid=- (Version vom 10.11.2016)