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Drei wichtige Prozesse,

die über den Rahmen der ihnen zu Grunde liegenden Anklage hinaus zu einer Art von Ermittelungs-Verfahren in der Winterschen Mordsache geworden sind, sollen hier im Anschlusse an die im vorigen Kapitel wiedergegebenen Zeugen-Aussagen und Wahrnehmungen glaubwürdiger, zum Eide bereiter Personen etwas ausführlicher besprochen werden. Es fallen dabei auch scharfe Schlaglichter auf das bei Führung der Untersuchung befolgte System. Zunächst:


Der Prozeß Speisiger.

Bis Ende Mai 1900 hatte die Staatsanwaltschaft zu Konitz bald durch die dortige Polizei, bald durch den Schöffenrichter des Amtsgerichts einzelne Ermittlungs-Handlungen in der Winterschen Mordsache vornehmen lassen. Ende Mai aber begann das Verfahren sich gegen den Fleischermeister Hoffmann als den mutmaßlichen Thäter zuzuspitzen, und nun eröffnete der Untersuchungsrichter beim Landgerichte, Dr. Zimmermann, die förmliche Voruntersuchung gegen Hoffmann. Seitdem befindet sich der Schwerpunkt der Untersuchung in der Hand dieses Beamten.

Nachdem das Verfahren gegen Hoffmann hatte eingestellt werden müssen, wurde die Untersuchung unter der Bezeichnung ,,Wintersche Mordsache“ weitergeführt. Da alle Spuren auf das Haus des Fleischermeisters Adolf Lewy hinwiesen, so mußte sich naturgemäß die Untersuchung auch mit der Familie Lewy beschäftigen. Zur großen Ueberraschung von Stadt und Land schlug Herr Landrichter Zimmermann dabei Wege ein, die nicht nur der allgemeinen Volksstimmung, sondern auch der Ansicht verständiger Juristen direkt entgegenliefen. Herr Zimmermann verhaftete nämlich mehrere Zeugen, die Thatsachen bekundet hatten, die auf eine Beteiligung des Adolf Lewy und seines Sohnes Moritz Lewy an dem Morde und auf das Lewysche Haus als den Thatort hinwiesen, wegen Meineides.

Zuerst traf dieses Schicksal den Präparanden Speisiger. Dieser junge, erst 17 Jahre alte Mensch hatte bis Mitte Februar die Präparanden-Anstalt zu Konitz besucht und dabei die Bekanntschaft des Ernst Winter gemacht. Seit Mitte Februar befand er sich in der ungefähr sechs Meilen von Konitz entfernten Stadt Jastrow und erzählte dort seinen Mitschülern bei einem Gespräche über den Winterschen Mord, daß er einmal gehört, wie ein Fleischer-

Empfohlene Zitierweise:
Max Liebermann von Sonnenberg: Der Blutmord in Konitz. Berlin: Deutschnationale Buchhandlung und Verlags-Anstalt, 1901, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Liebermann-_Blutmord_Konitz-_p055.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)