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hat, alljährlich einen ziemlichen Theil der Staatsschuld abzutragen, so betrachtet man einen Vorschlag zu großartigen Staatsunternehmungen, wodurch die öffentliche Schuld wiederum in so außerordentlicher Weise vermehrt werden müßte, wie einen Vorschlag zum Selbstmord, mit Entsetzen. Dies wird sich ändern, und die Anzeigen einer Besserung durch den Einfluß von oben haben sich bereits in Baiern, Baden und Österreich kund gegeben, aber bis man so weit kommt, ganze Systeme auf Staatsrechnung zu beschließen, braucht es Zeit, und bis dahin wird Frankreich sein schon weit vorgerücktes Werk längst nach einem großartigen Maßstabe fortgesetzt haben. Vielleicht dient die von uns vorgeschlagene Distinction und Ausscheidung der Kriegsschuld von der productiven Schuld dazu, das Gewissen der deutschen Finanzdirectionen zu beruhigen. Man veranschlage sämmtliche bereits vorhandenen nützlichen Werke mit Einschluß der Chausseen und bringe den Betrag derselben auf Rechnung der productiven Schuld. Während man diese von Jahr zu Jahr vergrößert, fahre man immerhin fort, jährlich einen Theil der Kriegsschuld zu tilgen. Die jährlich mehr zu Gunsten der productiven Schuld ausfallende Bilance kann alsdann nur wohlthätig auf den Credit des Staats und den Ruhm der Administration wirken.

Keine Nation des europäischen Continents wird aus einem vollständigen Continental-Transportsystem so großen Nutzen ziehen, wie die deutsche.

Deutschland ist mit Ausnahme der Schweiz dasjenige Reich, das mit Seeküsten und Flußschifffahrt von der Natur am stiefmütterlichsten bedacht worden ist, das also künstlicher Transportmittel am meisten bedarf.

Aus diesem Grunde und wegen seiner Lage im Centrum von Europa wird Deutschlands Handel und Industrie durch ein Continental-Transportsystem unermeßlich gewinnen.

Da die Eisenbahnen der Seeschifffahrt nicht nur die Reisenden, sondern auch den Transport werthvollerer Güter, zumal zur Winterzeit, entziehen, so werden alle dergleichen Güter und alle Personen, die von Ost nach West, von Norden nach Süden gehen, und umgekehrt, ihren Weg über Deutschland nehmen. Der Reiseverkehr an Fremden aus allen europäischen Ländern, indem Deutschland auch wegen seiner Bäder, wegen der Mannigfaltigkeit seiner Institute an Messen, Schulen, Universitäten, Kunstsammlungen u. s. w. fremde Reisende mehr anzieht, wie jedes andere Land, wird unermeßlich sein, und wenn man dabei den Charakter des Volkes und des Landes, die herrschende Ordnung und Sicherheit, die allgemeine Bildung und den Weltbürgersinn der Nation in Betracht zieht, so möchte man sich der Hoffnung hingeben, Deutschland werde durch ein europäisches Continental-Transportsystem in Beziehung auf Handel und Industrie, wie auf Wissenschaften und Künste zum Vereinigungspunkte des ganzen europäischen Continents sich erheben.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich List: Das deutsche National-Transport-System, Altona und Leipzig 1838, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:ListNat032.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)