Seite:Loehr Buch der Maehrchen 2.pdf/302

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war, sahe ihren Kummer, und fragte, was ihr auf dem Herzen liege?

„Dir darf ich es klagen, sagte die Prinzeßin. Der Vater heirathet die Grunzau – ein Ungeheuer, das mich haßt, und das ich nun lieb haben soll, wie meine Mutter. O, wie soll ich das können!

Die Dienerin rieth ihr, ihren Widerwillen zu bezwingen, schon darum, damit die Grunzau keine Gelegenheit finde, ihr weh zu thun.

„Ja! sagte sie, das will ich ja freilich auch; gebe der Himmel nur, daß mir es gelinge!“

Viola hatte sich lieblich ankleiden laßen, und sahe sehr schön aus, schön wie ein Engel, aber mit dem Gesichte voll Betrübniß, wie ein trauernder Engel.

Die Herzogin hatte sich auch so schön und so prächtig laßen kleiden und schmücken, als nur immer möglich. Sie glaubte, wie viele Thörinnen, daß man von Kleid und Schmuck die Schönheit erborgen könne; – aber die Häßlichkeit stach dagegen nur desto auffallender ab.

Sie hielt ihren Einzug zu Pferde, wie die Königinnen in der uralten Zeit thaten, als man noch keine Kutschen kannte. Daß sie reitend den Einzug halten wollte, geschahe darum, daß alle Welt sie ganz sehen und vor Bewundrung erstaunen sollte, und das geschahe denn auch, denn man erstaunte über eine so häßliche Nachteule, die Königin werden sollte, und die Leute auf der Straße schimpften ganz laut auf ihren dummen König und beklagten die holde Prinzeßin.

Diese aber war, ehe die Grunzau einzog, in einen schattigen Hain gegangen, denn dort konnte sie ungestört weinen und ihr hartes Geschick beseufzen.