Seite:Lucians Werke 1416.jpg

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Dem ist aber nicht also; im Gegentheile kommt dadurch nur deine Ignoranz an den Tag. Denn weit entfernt, immer nur das Beste zu kaufen, glaubst du dem Ersten, der dir seine Waare anpreist, auf’s Wort, und bist so eine willkommene Beute für Betrüger dieser Art, und ein wahrer Schatz für alle Büchertrödler. Freilich – wie solltest du zu unterscheiden wissen, was alte und werthvolle, und was dagegen schlechte und unbrauchbare Werke sind! Du schließest auf den Werth eines Buches nur aus dem Grad, in welchem es angefressen und verdorben ist, indem deine einzigen Rathgeber bei dieser Beurtheilung die Motten sind. Wie könnte es denn für dich noch andere Merkmale geben, den wahren innern Gehalt eines Werkes zu erkennen?

2. Wenn ich dir auch einräumen wollte, ein Buch, das die niedliche Hand eines Kallinus, oder die äußerst sorgfältige des berühmten Attikus[1] geschrieben, von andern unterscheiden zu können, was kann es dir helfen, solche Handschriften zu besitzen, da du ja die [eigentliche] Schönheit derselben nicht kennest, und sie eben so wenig brauchen kannst, als der Blinde einen Genuß von schönen Gestalten hat? Du glotzest mit aufgerissenen Augen deine Bücher an bis zum Ueberdruß, liesest auch wohl bisweilen ein wenig darin, wiewohl so flüchtig, daß die Blicke dem Munde immer voran eilen.[2] Das Alles genügt nicht, so lange du keine richtige Einsicht


  1. Zwei Abschreiber, deren Arbeiten sehr geschätzt waren. S. unten 24.
  2. Die Alten pflegten den auch von Seiten des Wohlklanges ausgezeichneten Werken ihrer Schriftsteller das Recht anzuthun, dieselben laut zu lesen.
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1416. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1416.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)