An einen Ignoranten, der sich viele Bücher kaufte

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Textdaten
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Autor: Lukian von Samosata
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Titel: An einen Ignoranten, der sich viele Bücher kaufte
Untertitel:
aus: Lucian’s Werke, übersetzt von August Friedrich Pauly, Eilftes Bändchen, Seite 1415–1436
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 2. Jahrhundert
Erscheinungsdatum: 1830
Verlag: J. B. Metzler
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Erscheinungsort: Stuttgart
Übersetzer: August Friedrich Pauly
Originaltitel: Πρὸς τὸν ἀπαίδευτον καὶ πολλὰ βιβλία ὠνούμενον
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scan auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[1415]
An einen Ignoranten, der sich viele Bücher kaufte.

1. Du handelst deiner Absicht gerade entgegen. Du bildest dir ein, man werde dich für einen Gelehrten halten, wenn du die schönsten Bücher recht emsig zusammenkaufst. [1416] Dem ist aber nicht also; im Gegentheile kommt dadurch nur deine Ignoranz an den Tag. Denn weit entfernt, immer nur das Beste zu kaufen, glaubst du dem Ersten, der dir seine Waare anpreist, auf’s Wort, und bist so eine willkommene Beute für Betrüger dieser Art, und ein wahrer Schatz für alle Büchertrödler. Freilich – wie solltest du zu unterscheiden wissen, was alte und werthvolle, und was dagegen schlechte und unbrauchbare Werke sind! Du schließest auf den Werth eines Buches nur aus dem Grad, in welchem es angefressen und verdorben ist, indem deine einzigen Rathgeber bei dieser Beurtheilung die Motten sind. Wie könnte es denn für dich noch andere Merkmale geben, den wahren innern Gehalt eines Werkes zu erkennen?

2. Wenn ich dir auch einräumen wollte, ein Buch, das die niedliche Hand eines Kallinus, oder die äußerst sorgfältige des berühmten Attikus[1] geschrieben, von andern unterscheiden zu können, was kann es dir helfen, solche Handschriften zu besitzen, da du ja die [eigentliche] Schönheit derselben nicht kennest, und sie eben so wenig brauchen kannst, als der Blinde einen Genuß von schönen Gestalten hat? Du glotzest mit aufgerissenen Augen deine Bücher an bis zum Ueberdruß, liesest auch wohl bisweilen ein wenig darin, wiewohl so flüchtig, daß die Blicke dem Munde immer voran eilen.[2] Das Alles genügt nicht, so lange du keine richtige Einsicht [1417] in die Vorzüge und Fehler jeder Schrift, in den Sinn und Zusammenhang des Ganzen, in die Wahl und Stellung der einzelnen Ausdrücke hast, und so lange du nicht beurtheilen kannst, ob sich der Schriftsteller genau an die Regeln des richtigen Geschmackes gehalten, und was etwa verdächtig, unächt oder verfälscht ist.

3. Was sagst du dazu? Willst du uns etwa glauben machen, du verständest das Alles, ohne es gelernt zu haben? Wie ginge doch das zu, wenn du anders nicht von den Musen selbst, gleich dem Hirten Hesiodus,[3] einen Lorbeerzweig erhalten hast? Allein vom Helikon, wo jene Göttinnen wohnen, ist dir, dünkt mich, auch nicht ein Wort zu Ohren gekommen, geschweige, daß du in deinen Jünglingsjahren selbst dort gewesen wärest. Es wäre dir Sünde, den Namen der Musen auch nur in den Mund zu nehmen. Diese haben es nicht unter ihrer Würde gehalten, einem Hirten zu erscheinen, so derb, rauh, und von der Sonne verbrannt der Mann auch ausgesehen haben mag; aber einem Menschen, wie du bist (du wirst es mir zu gut halten,[4] daß ich mich hier nicht deutlicher ausspreche), auch nur in die Nähe zu kommen, dazu würden sie sich gewiß nicht entschließen können, sondern ihn, statt ihm einen Lorbeerzweig zu reichen, mit Myrtenruthen[WS 1] und Malvenstengeln vom Helikon wegpeitschen lassen, [1418] damit er ihnen nicht die heilige Quelle des Holméus oder die Hippokrene verunreinige, deren Wasser zu trinken doch dürstenden Heerden und der Hirten unschuldigem Munde vergönnt ist. Uebrigens wirst du selbst, wiewohl du sonst unverschämt genug bist, und in so fern wenigstens deinen Mann stellst, es doch nicht wagen, zu behaupten, daß du je eine gelehrte Erziehung genossen, oder daß es dir je darum zu thun gewesen sey, nähere Bekanntschaft mit der Literatur zu machen; du wirst es nicht wagen, uns Diesen oder Jenen als deinen Lehrer oder Mitschüler zu nennen.

4. Und doch bildest du dir jetzt ein, alles das Versäumte einzubringen, wenn du nur recht viele Bücher ankaufest. Allein besitze du Alles beisammen, was der große Redner Demosthenes eigenhändig geschrieben; besitze sogar jene acht sorgfältigen Abschriften, welche derselbe Demosthenes von dem Werke des Thucydides genommen – und wenn du alle die Bücher beisammen hättest, welche einst Sylla aus Athen nach Italien schickte, was hättest du wohl damit an Gelehrsamkeit gewonnen? Ja, lege dir deine Bücher unter’s Haupt und schlafe darauf, oder leime die Blätter zusammen und hülle dich darein um und um – Affe bleibt Affe, sagt das Sprichwort, und trüge er goldenen Schmuck. Du hast immer ein Buch in der Hand, und liesest immerfort; aber was du liesest, verstehest du nicht, und gleichest dem Esel, der, wenn er die Zither schlagen hört, kaum die Ohren reckt. Würde das Bücherhaben den Gelehrten ausmachen, so wäre ein solcher Besitz allerdings sehr hoch anzuschlagen; allein die Gelehrsamkeit wäre alsdann nur eine Sache für reiche Herren, die sie auf dem Markte einkaufen könnten, und uns arme Leute [1419] nur zu überbieten brauchten. Wer könnte es vollends den Buchhändlern und Trödlern in den Wissenschaften gleich thun, die ja so viele Bücher haben und feil bieten? Aber beobachte diese Leute näher, und du wirst finden, daß sie an wissenschaftlicher Bildung nicht viel vor dir voraushaben, daß sie eine eben so ungebildete Sprache reden, wie du, kurz, daß es Leute ohne Einsicht sind, die nie gelernt haben, das Schöne und Gute vom Schlechten zu unterscheiden, wiewohl sie alle die Bücher Tag und Nacht in den Händen haben, von welchen du Jedem von ihnen vielleicht nur zwei oder drei abgekauft hast.

5. Wozu also kaufst du sie, wenn du nicht etwa der Meinung bist, schon die Schränke, welche die Rollen der alten Weisen verwahren, seyen gelehrte Wesen? Antworte mir doch, wenn es dir gefällt, auf eine einzige Frage; oder gib mir, da du ja doch nicht zu sprechen weißt, dein Ja oder Nein mit Zeichen zu verstehen. Wenn Einer, der nicht flöten kann, die Flöten des Timotheus oder die des Ismenias, welche Letzterer zu Korinth um sieben Talente kaufte, sich anschaffte, würde er darum auch ein Flötenspieler seyn? Oder würde ihm ein Besitz Etwas helfen, den er nicht kunstgemäß zu brauchen verstände? Gut; du schüttelst den Kopf. Also nicht einmal, Wer des Marsyas und Olympus Flöten besäße, würde sie spielen können, wenn er es nicht gelernt hätte. Und wenn Einer des Herkules Bogen und Pfeile hätte, aber kein Philoktet wäre, um jenen spannen und diese wohlgezielt abschießen zu können, was meinst du, würde er seinem Werkzeuge Ehre machen? Du schüttelst abermals den Kopf. Dasselbe [1420] wäre der Fall, wenn Einer, der nichts von der Schifffahrt versteht, ein noch so vortreffliches, mit Allem, was Schönheit und Sicherheit gäbe, gleich gut versehenes Schiff bekäme, oder Einer, der noch nie auf einen Gaul gekommen, ein Reitpferd von Persischer Race, oder aus einer Thessalischen oder Korinthischen[5] Stutterei erhielte: würde nicht die Ungeschicklichkeit Beider sogleich an den Tag kommen, wenn sie brauchen wollten, was sie nicht zu brauchen wissen? Nun so nicke mir doch dein Ja auch zu dieser Frage: Wenn ein Mensch, der Nichts gelernt hat, sich eine Menge Bücher anschafft, macht er nicht damit die beste Satyre auf seine eigene Ignoranz? Wie? du willst nicht nicken? Der Beweis ist doch klar genug, dünkt mich. Denn Wer könnte dich ansehen, der nicht sogleich das allbekannte Sprichwort auf der Zunge hätte: „Wie kommt der Hund in’s Marmorbad?“

6. Es lebte vor nicht langer Zeit ein reicher Mann in Asien; der hatte das Unglück, daß ihm beide Füße abgenommen werden mußten, weil er sie, wenn ich nicht irre, bei einer Wanderung durch tiefen Schnee erfroren hatte. Zu einigem Ersatz für diesen Mangel ließ er sich hölzerne Füße verfertigen, die er an seinem Körper befestigte; und so ging er, gestützt auf die Schultern zweier Diener. So weit war der Mann nur zu bedauern. Allein lächerlich machte er sich [1421] dadurch, daß er immer die schönsten und neuesten Halbstiefeln kaufte, und die größte Sorgfalt auf diesen Theil seines Anzuges verwendete, damit die Hölzer – seine Füße wollt’ ich sagen, nur immer recht schön geputzt erschienen. Und nun frage ich dich, machst du’s nicht eben so? Dein Kopf ist, was jenes Mannes steife und feigenhölzerne Füße sind; und nun kaufst du dir so hohe und schwere goldene Kothurne, auf welchen zu gehen ein Mensch von gesunden Füßen genug zu thun hätte.

7. Weil du doch unter andern auch den Homer mehr als einmal gekauft hast, so lasse dir einmal von Jemand jene Stelle aus dem zweiten Gesange der Iliade vorlesen – ich sage nur jene Stelle, denn das Uebrige ist nicht für dich – wo der Dichter den Thersites, jenes lächerliche, verwachsene und krüppelhafte Kerlchen, als Redner auftreten läßt. Was dünkt dich: wenn dieser Thersites des Achilles volle Rüstung anlegte, würde er wohl darum auch so schön und stark seyn wie Dieser? würde er sich auch in die Fluthen des Xanthus stürzen und dessen Gewässer mit dem Blute der Phrygier färben? würde er einen Lykaon, einen Asteropäus oder gar einen Hektor erschlagen – der Bursche, der nicht einmal den Schaft von des Achilles Lanze über den Schultern halten könnte? Würde er nicht vielmehr zum allgemeinen Gelächter werden, wenn er unbeholfen unter der Last des Schildes einherhumpelnd auf die Nase fiele, oder aus dem Helm bisweilen hervorguckend seine schielenden Augen zeigte, den Panzer mit seinem krummen Buckel empor lüftete, die ungeheuern Beinschienen nachschleppte, kurz den Verfertiger dieser Rüstung[6] [1422] wie ihren Besitzer gleich sehr beschimpfte? Merkst du denn nicht, daß es dir gerade eben so ergeht, wenn du eine herrliche Rolle von purpurfarbenem Pergament mit goldenen Knöpfen in den Händen hältst und durch dein barbarisches Vorlesen Alles so schmachvoll verdirbst, daß die Gebildeten deiner spotten, und deine Schmeichler zwar in’s Gesicht dir Beifall zollen, von Zeit zu Zeit aber sich umwenden müßen, um ihr Lachen zu verbergen?

8. Ich muß dir doch ein Geschichtchen[WS 2] erzählen, das sich einst zu Delphi bei den Pythischen Spielen zutrug. Ein gewisser Evangelus aus Tarent, ein Mann von einigem Ansehen in seiner Vaterstadt, ließ sich einst beikommen, zu Delphi einen Preis davon tragen zu wollen. Daß Dieß nun in den gymnischen Wettkämpfen für ihn nicht wohl thunlich sey, sah er sogleich ein, da er von der Natur weder mit Stärke noch mit Behendigkeit sonderlich begabt war. Allein daß ihm in Gesang und Zitherspiel der Sieg um so leichter werden würde, hatte er sich von einigen leichtfertigen Burschen weiß machen lassen, die gewöhnlich in seiner Gesellschaft waren, und jedesmal, wenn er auch nur ein Paar ganz unbedeutende Griffe gemacht hatte, in ein unmäßiges Beifallsgeschrei ausbrachen. Er erschien also zu Delphi in einem äußerst glänzenden Aufzuge, in einem goldgestickten Gewande, das er sich eigens dazu hatte verfertigen lassen, mit einem herrlichen Lorbeerkranz aus lauterem Golde, woran die Beeren in natürlicher Größe von Smaragd waren. Besonders aber war seine Zither ein wahres Wunder von Pracht und [1423] Kostbarkeit, aus gediegenem Golde, geziert mit geschnittenen Edelsteinen und Juwelen aller Art, zwischen welchen die Bilder der Musen, des Apollo und Orpheus in erhabener Arbeit angebracht waren. Man konnte sie wirklich nicht ohne Erstaunen betrachten.

9. Als der Tag des Wettstreites endlich gekommen war, traten außer ihm noch zwei Preisbewerber auf. Das Loos traf den Evangelus, als der Mittlere zwischen diesen Beiden zu singen. Nachdem also der erste, Thespis aus Theben, gesungen und sich sehr wacker gehalten hatte, tritt mein Tarentiner, strahlend von Gold, Smaragden, Beryllen, Hyacinthen, und in einem Gewande auf, dessen Purpurgrund sich zwischen der Goldstickerei prachtvoll ausnahm. Dieses Alles erfüllte die Zuschauer mit sprachlosem Erstaunen, und spannte die allgemeine Erwartung auf’s Höchste. Jetzt war der Augenblick da, sich hören zu lassen: er beginnt ein Vorspiel ohne alle Melodie und musikalische Verbindung, und reißt, weil er gleich zu derb drein fuhr, drei Saiten auf einmal ab. Jetzt hebt er auch zu singen an, aber so abscheulich und in so schneidenden Tönen, daß ein allgemeines Gelächter im ganzen Theater entstand, und die Preisrichter, empört über eine solche Unverschämtheit, ihn durchpeitschen und zum Theater hinauswerfen ließen. Das war denn ein ergötzliches Spektakel, wie der goldene Evangelus von den Polizeibedienten mitten über die Bühne geschleppt, und mit ihren Peitschen bis auf’s Blut um die Beine gehauen wurde, und wie er heulend die von seiner Zither, welche zugleich mit ihm Hiebe bekam, ausfallenden Edelsteine am Boden zusammenraffte!

[1424] 10. Nach einigen Augenblicken trat ein gewisser Eumelus aus Elis auf, eine alte Zither mit hölzernen Wirbeln in der Hand, und in einem Kleide, das sammt dem Kranze auf seinem Kopfe, kaum zehen Drachmen werth war. Allein Dieser sang so meisterhaft, und spielte so geschickt nach den Regeln seiner Kunst, daß ihm öffentlich der Sieg zuerkannt ward, und er nun den Evangelus auslachen konnte, der sich so viel auf seine Zither und seine Edelsteine eingebildet hatte. „Du, Evangelus,“ soll er zu Diesem gesagt haben, „trägst einen goldenen Lorbeer um’s Haupt, denn du bist ein reicher Mann; ich aber, ein armer Geselle, trage den Delphischen. Uebrigens hast du von all deinem Schmuck weiter Nichts, als daß du dich, statt das Mitleiden der Leute über deine Niederlage mit dir zu nehmen, durch einen Luxus, der gar nicht zur Kunst gehört, verhaßt gemacht hast.“ – Siehst du, diesem Evangelus gleichst du auf ein Haar, besonders auch in so fern du dir vor dem Gelächter der Zuschauer nicht im Geringsten bange seyn lässest.

11. Noch dürfte es ebenfalls nicht am unrechten Orte seyn, dir auch ein Lesbisches Mährchen aus alter Zeit zu erzählen. Als die Thrazischen Mänaden den Orpheus zerrissen hatten, warfen sie seinen Kopf und seine Lyra in den Hebrusstrom, der beide der schwarzen Bucht[7] zutrug. Der Kopf lag auf der Lyra, und sang Klagelieder um Orpheus, während die Winde in die Saiten der Lyra rauschten, und sie im Einklang mit jenen Liedern ertönen ließen: und so [1425] wurden beide unter Melodieen auf den Wellen schwebend an das Gestade von Lesbos getragen. Dort hoben die Bewohner den Kopf auf und begruben ihn auf derselben Stelle, wo jetzt ihr Bacchustempel steht. Die Lyra aber brachten sie als Weihgeschenk in den Tempel des Apollo, und bewahrten sie dort viele Jahre auf.

12. Da begab es sich denn in der Folgezeit, daß Neanthus, des Lesbischen Fürsten Pittacus Sohn, der vieles von dieser Lyra gehört halte, wie sie wilde Thiere, Bäume und Felsen bezaubert, und sogar nach des Orpheus Tode noch, ohne daß sie Jemand berührte, Melodieen von sich gegeben hätte, von heftigem Verlangen nach dem Besitze derselben ergriffen wurde, und mittelst einer großen Geldsumme endlich den Priester bewog, ihm die Lyra des Orpheus auszuliefern, und eine andere, ähnliche, an ihrer Statt zu unterschieben. Wie er sie hatte, getraute er sich zwar nicht, am hellen Tage in der Stadt sich damit sehen zu lassen: aber des Nachts nahm er sie unter seinen Mantel, ging damit ganz allein in die Vorstadt, zog sie hervor, und fing nun an, in den Saiten zu wühlen, plump und ungeschickt, wie ein junger Mensch, der auch nicht das Mindeste von Musik verstand, aber überselig in dem Glauben, der Erbe Orphischer Tonkunst zu seyn, und seiner Lyra Melodieen entlocken zu können, die alle Welt entzücken und bezaubern müßten. Indessen kam, von dem Getöne angelockt, ein Rudel Hunde herzugelaufen, deren es dort gar viele gab, und zerriß ihn in Stücke, so daß der Unglückliche doch in so weit ein zweiter Orpheus war, daß er wenigstens Hunde zu sich heran zog. Und so zeigte sich’s denn augenscheinlich genug, daß nicht die Lyra, [1426] sondern die Kunst und das einzige Sängertalent, das Orpheus von seiner Mutter Kalliope erhalten, jene Zauberkraft besaß, während die Lyra selbst keinen höheren Werth hatte, als jedes andere Saitenspiel.

13. Doch was brauche ich dir vom alten Orpheus und Neanthus zu erzählen? Hat ja doch auch in unseren Zeiten Jemand, und der Mann lebt noch, glaub’ ich, die irdene Lampe des Stoikers Epiktet um dreitausend Drachmen [1 300 fl.] gekauft, ohne Zweifel in der Einbildung, wenn er des Nachts bei dieser Lampe studirte, so würde sich Epiktets Weisheit zwischen Schlafen und Wachen bei ihm einstellen, und er würde in Kurzem dem bewunderten Greise ähnlich werden.

14. Noch ganz neuerlich bezahlte ein Anderer für den Stock, welchen der Cyniker Proteus wegwarf, als er in die Flammen sprang, ein baares Talent [2 600 fl.], und bewahrt ihn jetzt als ein Kleinod auf, das er vorzeigt, wie die Tegeaten die Haut des Kalydonischen Ebers, die Thebaner die Gebeine des Geryones, oder die Bewohner von Memphis die Locken der Isis. Er selbst aber, der Besitzer des wunderwürdigen Schatzes, übertrifft gleichwohl sogar dich noch an Gemeinheit und unflätigem Wesen. Wie sehr wäre dir ein solcher Stock – an den Kopf zu gönnen!

15. Auch erzählt man sich von Dionysius zu Syrakus, daß er einst ein bis zum Lächerlichen erbärmliches Trauerspiel geschrieben, wegen dessen Philoxenus, weil er sich des Lachens nicht enthalten konnte, mehr als einmal in die Steinbrüche geschickt wurde.[8] Dionysius, der erfahren hatte, [1427] daß man sich allgemein über ihn lustig machte, wußte sich mit vieler Mühe die Schreibtafel zu verschaffen, deren sich Aeschylus bedient hatte, und glaubte nun, von derselben Begeisterung, wie Dieser, ergriffen zu werden; schrieb aber auf eben jene Blätter nur um so erbaulicheres Zeug, wie z. B.

Die Frau des Dionysius, die Doris, starb![9]

und weiterhin:

O weh’! ich hab’ ein brauchbar Weib verloren!

Auch fand sich auf jener Schreibtafel das Verschen:

Der Thor hat nur sich selbst zum Narr’n.

Ist es doch, als ob Dionysius mit diesem Verse recht ausdrücklich auf dich gezielt hätte; und um dessenwillen verdiente die Schreibtafel denn doch, daß man sie in Gold einfaßte.

16. Was versprichst du dir denn von deinen Büchern, die du immer auf- und abrollst, leimest, beschneidest, mit Safran und Cedernöhl einreibest, mit schönen Ueberdecken und zierlichen Knöpfen versiehest? Was glaubst du, daß sie dir nützen werden? Du bist wohl schon sehr gebessert worden durch die theuer bezahlten Werke, da du eine Sprache führst wie – doch nein, du sprichst gar nicht, du bist stummer als ein Fisch; aber deine Aufführung ist so, daß man davon nicht sprechen darf. Deine unreinen Sitten haben dich zu einem Gegenstande allgemeinen Hasses und Abscheues gemacht. Wenn du Das aus deinen Büchern gelernt hast, so fleuch alsbald, so weit du kannst, von ihnen.

[1428] 17. Der Nutzen, den man aus den Schriften der Alten ziehen kann, ist ein doppelter: der erste, daß man lernt, wie man reden, der zweite, wie man handeln soll; Beides geschieht durch Nachahmung der guten, und Vermeidung der schlechten Beispiele. Wer sich aber verräth, daß er weder das Eine noch das Andere daraus gewonnen hat, Wem anders kauft der seine Bücher, als den Mäusen zum Zeitvertreib, und den Motten zur Wohnung, und seinen Bedienten, welche sie vor jenen bewahren sollen, zur Qual?

18. Wie schmählich, wenn man dich, was immer bei dir der Fall ist, mit einem Buche in der Hand antrifft und dich fragt, von welchem Redner, Geschichtschreiber, oder Dichter es sey, und du weißt zwar zur Noth den Titel anzugeben, weil du ihn vor dir hast; wenn sich aber, wie es in Gesellschaft zu gehen pflegt, ein längeres Gespräch darüber anknüpfen will, und der Andere lobt oder tadelt Dieß und Jenes an dem Schriftsteller, und du stehest verlegen, weißt kein Wort zu sagen – möchtest du da nicht in die Erde sinken vor Scham und Verdruß, daß das Buch, welches du mit dir herumträgst, an dir selbst, wie an Bellerophontes sein Brief, zum Verräther geworden ist?

19. Der Cyniker Demetrius war einst zugegen, als zu Korinth ein Mensch ohne alle Bildung das herrliche Stück des Euripides, die Bacchantinnen, vorlas. Wie er nun gerade an der Stelle war, wo der Bote das Schicksal des Pentheus und die entsetzliche That der Agave erzählt, nahm ihm Demetrius das Buch schnell aus der Hand, und zerriß es mit den Worten: „immer besser für Pentheus, von mir auf einmal, als von dir so oft zerrissen zu werden.“ – So oft [1429] ich auch darüber nachgedacht, so konnte ich doch bis auf den heutigen Tag nicht ausfindig machen, in welcher Absicht du mit solchem Eifer darauf aus bist, Bücher zusammen zu kaufen. Wer dich auch nur von ferne kennt, kann sich nicht einbilden, daß es geschehe, um sie zu brauchen und zu benützen. Es ist doch nicht anders, als ob ein Kahlkopf einen Kamm, ein Blinder einen Spiegel, ein Tauber einen Flötenspieler, ein Hämling eine Beischläferin, ein Landmann ein Ruder, und ein Steuermann einen Pflug sich anschaffte! Oder soll das Ganze eine Ausstellung deines Reichthums seyn, womit du der Welt zeigen willst, daß dein ungeheures Vermögen dir einen großen Aufwand, auch sogar in solchen Dingen erlaubt, welche du nicht einmal brauchen kannst? Und doch ist mir – ich bin ja auch aus Syrien – nur zu wohl bekannt, daß, wenn es dir nicht gelungen wäre, deinen Namen in das Testament jenes reichen Alten einzuschwärzen, der Hunger dich schon längst umgebracht oder dich genöthigt hätte, deine Bücher auf öffentlichem Markte loszuschlagen.

20. Es bleibt also Nichts übrig, als anzunehmen, deine Schmeichler haben dich glauben gemacht, du seyest nicht blos ein schöner und liebenswürdiger, sondern auch ein gelehrter Mann, ein Philosoph, ein Redner, ein Historiker, wie kein Anderer; und um ihre Lobsprüche zu bewahrheiten, kaufest du nun eine Menge Bücher auf. Man erzählt sich, du lesest ihnen sogar selbstverfertigte Reden über Tische vor, und die armen Schlucker, durstig wie die Frösche auf dem Trockenen, bekämen nicht eher zu trinken, als bis sie ihren Beifall zum Bersten laut dir zugeschrieen hätten. Nichts ist aber auch leichter für sie, als dich an der Nase herum zu führen: [1430] Alles, was sie nur wollen, lässest du dir von ihnen weiß machen, wie zum Beispiel, du sehest dem Kaiser[10] auf’s Haar ähnlich, wie der falsche Alexander dem Sohne des Antiochus, der falsche Philipp, ein Walkerbursche, dem des Perseus, der falsche Nero zu unserer Großväter Zeiten, und Wer sonst noch zu diesen Falschen gehören mag.

21. Wie sollte man sich aber auch wundern, wenn ein alberner und ungebildeter Mensch, wie du, sich dergleichen beikommen läßt, und mit in die Höhe geworfenem Kopfe einhergeht, Mienen, Gang und Haltung des Mannes nachäffend, mit welchem sich zu vergleichen ihm schmeichelt? Hat ja doch auch Pyrrhus von Epirus, dieser sonst so große Fürst, von seinen Schmeichlern sich so sehr verblenden lassen, daß er glaubte, dem großen Alexander ähnlich zu sehen; und doch – ich habe beide Bildsäulen betrachtet – welch mächtiger Unterschied zwischen Pyrrhus und Alexander, von welchem Jener ein getreuer Abdruck zu seyn sich einbildete! Bis jetzt hab’ ich freilich dem Pyrrhus einen großen Schimpf angethan, daß ich ihn in dieser Hinsicht mit dir zusammenstellte: um so passender wird für dich das Weitere seyn. Dieser Meinung also, die Pyrrhus von sich selbst hegte, trat man natürlich allgemein bei, und theilte mit ihm den Tik, den er sich in den Kopf gesetzt hatte, bis ihn endlich eine alte Frau zu Larissa, die ihm die Wahrheit sagte, davon heilte. Pyrrhus hatte ihr nämlich die Bildnisse des Philippus, Perdikkas, Alexander, Kassander und anderer Macedonischer Könige gezeigt, und sie sodann gefragt, welchem von diesen er [1431] ähnlich sehe, in der festen Ueberzeugung, sie würde auf Alexander verfallen. Allein nach ziemlich langem Besinnen sagte sie: „Keinem von Diesen, aber dem Garkoch Batrachion.“ Wirklich befand sich in der Stadt Larissa ein Koch dieses Namens, welcher dem Pyrrhus auffallend glich[WS 3].

22. Ich will nicht entscheiden, welchem von den unsaubern Burschen, die man gewöhnlich im Gefolge der Gaukler und Tänzer sieht, du am ähnlichsten siehst; das aber weiß ich gewiß, daß alle Welt deine Narrheit für eine unheilbare hält, da du eine Vergleichung, wie die obige, dir erlauben kannst. Sollte man sich darüber wundern, wenn du, im blinden Glauben an die Schmeicheleien Einiger, nach Aehnlichkeit mit Männern von Bildung trachtest, daß dir diese Kopie so schlecht gelingt? Doch wozu noch weiter dieses Gerede? Die wahre Ursache deiner eifrigen Bücherliebhaberei ist offenbar genug; und ich war in der That sehr blöde, daß ich sie nicht längst einsah. Du hast die Sache recht klug angegangen, wie du dir wenigstens vorstellst, und machst dir keine geringen Hoffnungen, wenn der Kaiser, dieser weise, und die Gelehrsamkeit hoch in Ehren haltende Mann, von dir hören werde, was für eine große Büchersammlung du zusammenkaufest: Du werdest, so bildest du dir ein, in Kurzem Alles bei ihm gelten.

23. Wie? du Schandbube! meinst du, der Monarch werde schläfrig genug seyn, wenn er Jenes von dir hört, nicht auch Das in Erfahrung zu bringen, was du bei Tage treibst, und bei welchen Gelagen und mit welchen Schlafgesellen du deine Nächte verlebst? Weißt du nicht, daß die Könige viele Augen und Ohren haben? Und dein Thun und [1432] Treiben ist so offenkundig, daß auch Blinde und Taube davon zu sagen wissen. Du brauchst ja nur den Mund zu öffnen, brauchst nur im Bade dich zu entkleiden – ja wenn man auch nur deine Sklaven nackt sieht, was dünkt dich, kommen da nicht sogleich die Geheimnisse deiner Nächte an den Tag? Sage mir doch, wenn euer Sophist Bassus, oder der Flötenspieler Batalus oder der berüchtigte Sybaritische Cinäde Hemitheon, von dem ihr das vortreffliche Gesetzbuch habt, wie man die Haut glätten und aushaaren solle, was man zu beobachten habe, wenn man der leidende Theil, was, wenn man der thätige ist, wenn ein Solcher eine Löwenhaut umnähme, und mit einer Keule in der Faust herumginge, meinst du, die Leute würden ihn darum für einen Herkules halten? Nein wahrlich, es müßten ihnen denn die Augen seltsam verkleistert seyn. Denn der Kennzeichen wären gar zu viele, welche jenen Aufzug Lügen straften: der Gang, der Blick, die Stimme, der gesenkte Kopf, das Bleiweiß, der Mastix, und die rothe Schminke, womit ihr euch zu verschönern sucht – kurz, es wäre leichter, fünf Elephanten unter der Achsel zu verbergen, als einen einzigen Cinäden. Wenn also sogar eine Löwenhaut einen solchen Menschen nicht birgt, wie kannst du hoffen, hinter einem Buche unerkannt zu bleiben? Werden dich nicht jene Merkmale, die ihr Alle mit einander gemein habt, verrathen und enthüllen?

24. Ueberhaupt scheinest du gar nicht zu wissen, daß man Das, was man seyn und werden will, nicht bei den Büchertrödlern suchen, sondern auf sich selbst, auf seinen eigenen Charakter und seine Sitten gründen müße. Du hingegen glaubst, die besten Zeugen, die für dich sprechen könnten, [1433] an den Bücherkopisten Attikus und Kallinus zu haben, an Menschen, die doch unbarmherzig mit dir umgehen, und nächstens, so Gott will, dich gänzlich ruiniert und an den Bettelstab gebracht haben werden. Noch ist es Zeit, aber die höchste, zum Verstande zu kommen, deine Bibliothek an irgend einen Gelehrten zu verkaufen und mit ihr dein neu erbautes Haus, um damit wenigstens Etwas an den ungeheuren Schulden zu bezahlen, die du bei den Sklavenhändlern stehen hast.

25. Denn diese zwei Dinge waren von jeher der Gegenstand deines Dichtens und Trachtens, kostbare Bücher zusammenzukaufen, und junge Bursche, die schon der zartern Jugend entwachsen sind, dir anzuschaffen: ganz ungemein ist der Eifer, mit welchem du auf diese Artikel Jagd machst. Allein für Beide reicht dein beschränktes Vermögen nicht zu. „Es ist ein heilig Ding um einen guten Rath.“[11] Darum sage ich dir, laß die Sucht nach Büchern fahren, die dich ja doch Nichts angehen, und pflege deiner zweiten Leidenschaft und jener Dienstwilligen, die du aber, wohlgemerkt, immer um baares Geld zur Hand haben mußt: denn wolltest du, in Ermangelung dieser Gattung, Freigeborene an dich locken, und bliebe der Gewinn, den sie bei dir machten, unter ihrer Erwartung, so würden sich diese Nichts daraus machen, außer deinem Hause Alles auszuplaudern, was bei dir nach aufgehobener Tafel vorzugehen pflegt. Wie denn noch ganz neuerlich ein solcher Schuft, der eben dich [1434] verlassen hatte, das Schändlichste von dir erzählte, und sogar die Spuren erhaltener Liebesbisse vorwies. Leute, die dabei gewesen, werden mir bezeugen, wie ich mich für dich ereiferte, und wie wenig fehlte, daß ich ihn nicht im Zorne durchgeprügelt hätte, zumal da er sich noch auf das Zeugniß dieses und jenes Andern berief, die Aehnliches erfahren hatten, und viel davon zu erzählen wußten. Spare also dein Geld für diesen Gebrauch, mein sauberer Freund, damit du zu Hause in voller Sicherheit dergleichen vornehmen und mit dir vornehmen lassen kannst. Denn es zu unterlassen, Wer vermöchte dich dazu zu überreden? Ein Hund, der einmal Leder fressen gelernt hat, wird es so leicht nicht aufgeben.

26. Desto leichter ist für dich das Andere, keine Bücher mehr zu kaufen. Du bist ja jetzt gelehrt genug für dich: alles Treffliche des ganzen Alterthums hast du ja fast schon mit der Zungenspitze berührt, kennest die gesammte Geschichte, hast alle Regeln der Rhetorik inne, weißt alle Schönheiten und Fehler des Ausdrucks zu nennen, und den ganzen Vorrath Attischer Wörter zu gebrauchen; kurz deine vielen Bücher haben dich auf den Gipfel des Wissens gehoben, sie haben ein wahres Wunderding von Gelehrten aus dir gemacht. Denn, weil du ja doch so gerne von Andern dich zum Besten haben lässest, was hindert mich, daß auch ich mir einen Spaß mit dir mache?

27. Ich möchte doch gerne von dir wissen, welche Bücher aus so vielen du am liebsten und fleißigsten liesest? Etwa den Plato? Oder einen Antisthenes, Antilochus, Hippónax? Oder sind dir alle Diese nicht wichtig genug, und du gibst dich vielleicht am meisten mit den Rednern ab? Sage mir doch einmal, liesest du auch die Rede des Aeschines gegen den Timarch?[12] Oder sind dir diese Sachen alle schon zu sehr bekannt? Hast du etwa den Aristophanes und Eupolis vorgenommen, und kennest wohl das Lustspiel des [1435] Letzteren, die Bapten? Fühltest du dich darin nie getroffen? bist du nie roth geworden, wenn du dich selbst in jenen Personen erkanntest? – Das Wunderbarste bleibt immer, welche Neigung dich treiben kann, Bücher in die Hände zu nehmen. Und welche Hände sind es, mit denen du sie aufrollst? Um welche Zeit liesest du sie? Bei Tage? Und doch hat noch Niemand dich bei Tage lesen gesehen. Oder bei Nacht? Also, wenn du bereits jener andern Liebhaberei obliegst? Oder ehe diese letztern Studien angehen, und ehe es völlig Nacht wird, so lange du also zu jenen Werken der Finsterniß das Herz nicht hast?

28. Weg mit den Büchern! Bleibe du einzig und allein bei deinem eigentlichen Handwerke. Wiewohl auch Dieß solltest du nicht länger treiben, sondern auf die Worte der Phädra bei Euripides achten, die in ihrem Unwillen über die Weiber sagt:

Zittern sie nicht, daß die Mitschuld’ge ihrer Schande,
Die Nacht, an ihnen zur Verräth’rin werde?
Nicht, daß, wenn Alles schweigt, die Wände reden?[13]

Wenn du aber denn doch einmal dich dafür entschieden hast, in deiner Leidenschaft zu beharren, nun so geh’ und kaufe Bücher, verschließe dich damit in dein Haus und weide dich an der Glorie deines Besitzes. Aber daran laß dir genügen. Nie soll dir beikommen, sie zu berühren, sie zu lesen, und die Reden und Gedichte der Alten, die dir Nichts zu Leide gethan, auf deine Zunge zu nehmen! – Doch, ich weiß es, Alles dieß ist an dich hin, wie in den Wind gesprochen: es ist, als ob ich einen Mohren bleichen wollte. Du wirst fortfahren zu kaufen, was du nicht brauchen kannst, und der Spott aller Gebildeten zu seyn, welchen es genügt, aus Werken sich zu bereichern, deren Werth in den Gedanken [1436] und ihrem Ausdruck, nicht aber in einem kostbaren und prächtigen Aeußern besteht.

29. Du aber glaubst, die Schande deiner Unwissenheit damit zu bedecken, daß du [der Menge] mit einer großen Büchersammlung imponierst, ohne zu merken, daß Dieß kein anderes Verfahren als das der ungeschicktesten Aerzte ist, welche elfenbeinerne Salbenbüchsen, silberne Schröpfköpfe, und reich mit Gold verzierte Messer führen, aber, wenn es darauf ankommt, sie zu gebrauchen, nicht einmal damit umzugehen wissen; während der Mann, der seine Sache gelernt hat, mit seiner wohlgespitzten Lanzette erscheint, die im Uebrigen so verrostet seyn mag, als sie will, und den Kranken leicht und sicher von seinen Schmerzen befreit. Oder – um eine possierlichere Vergleichung zu brauchen – betrachte einmal die Bartscheerer, und du wirst finden, daß die Geschickten unter ihnen mit einem guten Scheermesser, etlichen kleineren Schabmesserchen und einem Spiegelchen von verhältnißmäßiger Größe versehen sind, die Pfuscher dagegen eine Menge Messer und große Spiegel ausgekramt haben,[14] und dennoch sich sogleich verrathen, daß sie Nichts verstehen. Da ist es denn lustig zu sehen, wie diese Leute das eigene Mißgeschick haben, daß man sich gewöhnlich erst bei’m Nachbar rasiren läßt, und sodann kommt und vor einen der großen Spiegel tritt, um seine Haare in Ordnung zu bringen.

30. Auch du könntest deine Bücher, die du selbst nicht zu gebrauchen verstehst, wenigstens Andern borgen, die dich darum bäten. Allein noch nie hast du Jemanden ein Buch geliehen: du gleichst hierin ganz dem Hunde, der sich in die Krippe auf die Gerste legte, die er selbst nicht fraß, aber auch dem Pferde nicht gönnte, das sie hätte fressen können.

Dieß ist’s, was ich für dießmal wegen deiner Bücher in aller Freimüthigkeit mit dir sprechen wollte. Von den andern Schändlichkeiten, die du dir erlaubst, sollst du ein andermal, und mehr als einmal, zu hören bekommen.


  1. Zwei Abschreiber, deren Arbeiten sehr geschätzt waren. S. unten 24.
  2. Die Alten pflegten den auch von Seiten des Wohlklanges ausgezeichneten Werken ihrer Schriftsteller das Recht anzuthun, dieselben laut zu lesen.
  3. S. die Rednerschule 4.
  4. Wörtlich: „erlasse mir, bei der Libanitis, jetzt Alles deutlich heraus zu sagen.“ Die Venus hatte auf dem Libanon einen Tempel, wo der Kultus der Göttin mit widernatürlicher Unzucht gefeiert ward.
  5. Wörtlich: „ein mit dem Koppa bezeichnetes.“ Mit dem Koppa (Ϙ), einem abgekommenen, mit K gleichbedeutenden Buchstaben des Griechischen Alphabets, dem Stadtzeichen von Korinth, wurden die Pferde von der dortigen edlen Zucht auf dem Schenkel bezeichnet. Vergl. Boeckh Staatshaushalt. II, S. 386.
  6. Den Vulkan.
  7. Der Hebrus, jetzt die Maritza, und unweit deren Mündung die schwarze Bucht, oder Bai von Saros.
  8. S. die gedung. Gelehrten, Abth. I, S. 476 Anm. ***)
  9. Nach C. F. Hermann’s glücklicher Vermuthung: Δωρὶς τέθνηκεν.
  10. Marcus Aurelius ohne Zweifel.
  11. S. die Rednerschule 1.
  12. S. den Aeschines in dieser Sammlung, Bd. I. und Bremi’s Einleit. S. 38.
  13. Eurip. Hippol. v. 417. Die Uebers. ist von Wieland.
  14. Die außen vor den Barbierbuden hingen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Myrthenruthen (korrigiert nach: Verbesserungen. S. 1900)
  2. Vorlage: Geschichten
  3. Vorlage: gleich (korrigiert nach: Verbesserungen. S. 1900)