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Ludwig Hevesi (1843-1910): Ludwig Speidel, Schriftsteller

getan, wenn er an des braven Hauptpastors Stelle einen Richard Wagner vor sich gehabt hätte? Wie groß wäre er an dem Riesen geworden. Und wie mancherlei Abschattungen kommen in der Kriegführung Sp.s vor. Sogar ausgiebiges Lob, in früher und später Zeit. »Das Libretto ist szenisch ganz meisterhaft gearbeitet«, heißt es von der »Walküre«. Eine »wundersame Harmoniefolge« nennt er die Stelle: »Mir allein weckte das Auge süß sehnender Harm, Tränen und Trost zugleich.« Zugleich freilich: »Im allgemeinen liegt in diesen Leitmotiven eine Armut der Erfindung.« Mit welcher Gründlichkeit analysiert er etwa den neuen »Lohengrin«, in mehreren Fortsetzungen (»Wiener Zeitung«, 1859), allerdings nicht zu Glimpf. Das wurde auch in Leipzig gelesen und jemand schickte ihm von dort als Antwort Hans v. Bronsarts Broschüre: »Musikalische Pflichten«. Die besprach er dann in einem Feuilleton: »Das Geheimnis der Zukunftsmusiker«, nicht ohne zu fragen, wer ihm das Opus geschickt haben möchte. »Sollte es etwa Herr Brendel sein, der tapfere Zukunfts-Haudegen, welcher, seit Richard Wagner aufgekommen, seinen Zopf in ein Schwert verwandelt hat?« In Deutschland fanden nämlich Sp.s kleine Streitschriften lauten Widerhall. Die dortigen Wagnergegner hielten sie in regem Umlauf und meldeten sich gelegentlich auch beim Verfasser. In einem Artikel »Wagneriana« erwähnt er, daß ihm »von mehreren im »Schwan« zu Hochheim versammelten edlen Rheinländern als Zeichen der Anerkennung etliche Flaschen edlen Hochheimers zugesandt worden«. In diesem Aufsatz polemisiert er gegen Julius Fröbel, der (im »Botschafter«) seinen letzten Wagnerartikel »grob« gefunden hatte. Da heißt es: »Das wüste Treiben jener Prätorianer, die sich um Richard Wagner geschart, einer wahren musikalisch-kritischen Schwefelbande, die mit Hui und Pfui über jeden herfährt, der nicht mit vollen Backen in das Zauberhorn der Zukunftsmusik stößt.« Er wehrt sich eben stolz und stark, wenn man will auch »grob«, wider Vergewaltigung. Nun erst recht nicht! Er war jung und frei, und weil er das erste war, wollte er sich das zweite nicht nehmen lassen. Charaktersache. »Wir sind dieser Eine gegen Tausende, die Wagners Posiemusik vorderhand schön finden.« Er findet Wagners Musik nicht einmal deutsch. »Wagners Musik ist dagegen durch und durch äußerlich, im schlechten Sinne sinnlich, gemütlos, kurz undeutsch, und die ihr Wagners Musik bewundert, seid wenigstens in musikalischer Hinsicht die schlechtesten Deutschen.« Und auch Wagner als Person erschien ihm danach. Er, der ein so wunderbarer Porträtmaler mit der Feder war (»Beethovens äußere Erscheinung« u. dgl.) fand bei dem großen ersten Wagnerkonzert in Wien, wo der Meister einen ungeheuren Triumph feierte: »Noch schärfer als früher, prägt sich in seinen Zügen der Doktrinär, der Pedant, der sächsische Schulmeister aus.« 1861 schildert er einmal (»Vaterland« 19. Mai) Wagner in Venedig, in buntem Schlafrock, Hose, Mütze. Dieses Motiv wurde viel später von seinem Freunde Daniel Spitzer, dem »Wiener Spaziergänger«, in dem bekannten Büchlein: »Briefe einer Putzmacherin an Richard Wagner« mit ausführlicherer Lauge übergossen. Dieser Aufsatz ist überhaupt ein elegant gearbeiteter Köcher voll purpurgefiederter Pfeile. »Diese Unendlichkeit der Melodie ist die »schlechte Unendlichkeit« Hegels, ein Ding, man weiß weder wo es anfängt, noch wo es aufhört« – »endlos, nicht unendlich« – »ein Bandwurm, dessen Kopf nicht aufzufinden ist« – »endlose Stammelei« –

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Hevesi (1843-1910): Ludwig Speidel, Schriftsteller. Reimer, Berlin 1908, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Speidel,_Schriftsteller.pdf/12&oldid=- (Version vom 1.8.2018)