Seite:Maehrchenkranz fuer Kinder 053.jpg

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flog er wieder auf das Dach, und sang sein Wunderlied. Um ihn aber leuchtete die Sonne, und der Himmel strahlte im blendenden Schimmer, so daß Alle, wie versteinert, stehen blieben.

Unterdeß flog der Vogel weg, die goldene Kette in der einen, die seidenen Schuhe in der andern Klaue tragend, und setzte sich nicht eher nieder, als vor dem Thore, wo ein Lindenbaum vor einer Wassermühle stand. Daselbst nahm er Platz oben in der Spitze. Vor der Mühle aber stand der Müller mit funfzehn Knappen, die behaueten einen großen Mühlstein, und sahen nicht, und hörten nicht. Mit einem Male aber wurde es ihnen so hell vor den Augen, und als der Vogel anfing zu singen:

Meine Mutter schlug den Kopf mir ab,
Des Vaters Magen ward mein Grab;

da hielt der Knappe inne mit Hauen, und sah nach dem Vogel; und als dieser weiter sang:

Marlenechen, mein Schwesterlein,
Legt’ in ein Tüchlein mein Gebein,

da hörten noch zwei Knappen auf. Und als der Vogel fortfuhr:

Und grub es auf des Hofes Raum,

da hielten wieder vier Knappen inne, –

Wohl unter dem Maßholderbaum;

da die übrigen acht, so daß der Müller nur noch allein zurück blieb; und als er die letzten Worte hörte:

Tireli, tireli, seht mich,
Was für ein schöner Vogel bin ich!

so hörte er gleichfalls auf mit Behauen, und rief den Baum hinauf: „Goldvögelchen, sing’ uns dein schönes Lied noch ein Mal!“

„Ja,“ antwortete der Vogel, „wenn du mir den Mühlstein giebst, der vor dir liegt.“ – „Du sollst ihn haben,“ sprach der Müller; „komm nur, und hol’ ihn dir!“