Seite:Maehrchenkranz fuer Kinder 145.jpg

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Fenster gesehen hatte, daß es ein Mann war, so ließ sie die Furcht fahren, weil er ihr so sehr zuredete, und machte auf. Nun zog die verkleidete Königinn den vergifteten blinkenden Kamm hervor, steckte ihr denselben in die Haare, und so tief in die Haut, daß das Mädchen niederfiel, und todt war. „Nun wirst du liegen bleiben!“ sagte die Königinn, und ging mit einem erleichterten Herzen davon.

Die Zwerge aber kamen zur rechten Zeit nach Hause, und da sie sahen, was geschehen war, zogen sie den giftigen Kamm aus den Haaren. Da schlug Schneewittchen die Augen auf, und war wieder lebendig, und versprach den Zwergen, sie wolle gewiß niemand wieder einlassen.

Indessen stellte sich die Königinn wieder vor ihren Spiegel, und fragte:

Spiegel, Spiegel an der Wand,
Wer ist die Schönst’ im ganzen Land?

Und der Spiegel antwortete:

Ihr seyd die Schönste hier,
Aber Schneewittchen bei den Zwergen ist tausendmal schöner, als Ihr!

Als das die Königinn wieder hörte, zitterte und bebte sie vor Zorn. „Schneewittchen soll sterben,“ rief sie aus, „und wenn es mir das Leben kostet!“ Und damit ging sie in ihre heimlichste Stube, wohin niemand kommen durfte, weil sie ihre bösesten Giftkünste hier trieb, und vergiftete den schönsten, rothbäckigsten Apfel, den sie finden konnte, auf der rothen Seite mit dem schrecklichsten Gifte, die andere grüne Seite aber blieb unberührt. Hierauf verkleidete sie sich als Bauerfrau, legte mehrere Aepfel in einen Tragekorb, worunter auch der vergiftete befindlich war, und ging so zu der Wohnung der Zwerge. Sie klopfte an die Thüre. Schneewittchen aber rief aus dem Fenster: „Ich darf Keinen hereinlassen, die Zwerge haben es mir