Seite:Meier Volksmärchen aus Schwaben 016.jpg

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4. Aschengrittel.

Ein junges Mädchen hatte eine Stiefmutter und zwei Stiefschwestern, die es alle mit einander beständig zankten und quälten und neckten, also, daß das arme Kind schon früh recht viel zu leiden hatte. Es mußte alle Arbeiten im Hause thun, und ihre jüngern Schwestern durften ihr befehlen, was sie nur wollten; und das thaten sie denn auch und gebrauchten sie zu den niedrigsten Arbeiten, als ob sie eine gewöhnliche Dienstmagd wäre. Sie mußte Waßer holen, Schuhe und Kleider putzen, das Haus kehren, die Schüßeln spülen, und bekam immer alte, abgetragene Kleider. Aus Spott wurde sie von der Stiefmutter und den Schwestern bloß Aschengrittel genannt; denn um sie zu ärgern, warfen sie zuweilen eine Handvoll Linsen in die Asche und sagten ihr, daß sie sie wieder herauslesen sollte.

Da geschah es, daß der Vater einmal eine Reise machen wollte und seine Töchter fragte, was sie sich wünschten, daß er ihnen mitbringe. Da wünschten sich die beiden jüngsten schöne Kleider und goldene Ohrringe und Halsketten, die ihnen der Vater auch mitzubringen versprach. Aschengrittel aber wünschte sich bloß das erste Zweiglein, welches der Vater unterwegs mit seinem Hute berühre. Die Schwestern lachten und spotteten darüber, weil’s ihnen gar zu dumm vorkam; allein Aschengrittel kümmerte sich nicht darum und war ganz vergnügt, als der Vater ihr einen kleinen Haselzweig mitbrachte; denn der hatte wirklich

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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_016.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)