Seite:Meier Volksmärchen aus Schwaben 108.jpg

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Hans. Ei, das verdroß den Vater gar sehr und er ward böse und sprach: „der eine Bruder ist General geworden, der andre ein Kaufmann, und Du bloß ein Schäfer! Nun so kannst Du künftig unsre Gänse hüten.“ Und wie er gesagt hatte, so geschah es auch. Dazu bekam Hans des Nachts kein ordentliches Bett, sondern mußte unter der Treppe im Gänsestall liegen, kriegte auch so wenig zu eßen, daß er nur eben nicht Hungers zu sterben brauchte. Das Alles aber ließ er sich ganz ruhig gefallen und schmachtete, und wenn er allein war, so unterhielt er sich mit seiner Pfeife und tröstete sich im Stillen mit seiner Königin.

Endlich, nach etwa sechs Wochen, als Hans eines Abends mit seinen Gänsen heimkam, war eine fremde Dame da, die in dem Wirthshaus übernachten wollte, und das war die Königin, die war ausgezogen, um ihren Gemahl zu suchen, ließ aber nicht merken, wer sie war.

Als sie nun Abends die beiden ältesten Söhne des Müllers sah, fragte sie ihn: ob er sonst keine Kinder mehr habe? Er sagte, ja, er habe wohl noch einen Sohn, der sei aber so einfältig, daß er sich ordentlich seiner schäme und ihn nicht sehen laßen könne. Die Dame aber wollte ihn doch gern sehen und ließ nicht eher ab, als bis der Vater versprach, den Hans zu holen. – Wie er nun ankam, erkannte er sogleich seine Gemahlin, verstellte sich aber und machte nichts als Dummheiten vor der Königin, daß der Vater ihn beinah geprügelt hätte; die Dame aber, die ihn ebenfalls sogleich wieder erkannt hatte, ließ es nicht zu und mußte recht herzlich über ihn lachen.

Empfohlene Zitierweise:
Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_108.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)