Seite:Meier Volksmärchen aus Schwaben 156.jpg

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und sagte, als sie heimkam: „Eschenfidle, wärst Du heut in der Kirche gewesen, so hättest Du was Schönes sehen können. Da war ein fremdes Fräulein, die hatte Kleider von lauter Gold und Silber an, daß es eine Freude war.“ Dabei war Eschenfidle ganz vergnügt und lächelte still für sich. – Als es aber am folgenden Sonntage zum zweiten Male in der Kirche sich sehen ließ und ohne daß Jemand es erkannte, wieder verschwand, da zerbrachen sich alle Leute den Kopf über das reiche schöne Fräulein; am meisten aber ein junger reicher Kaufmann. Dem gefiel sie so gut, ach so gut, daß er sie gar zu gern zu seiner Frau genommen hätte.

Da passte er nun jeden Sonntag auf und hätte sie gern einmal allein gesprochen; aber er konnte sie niemals treffen. Gieng er ganz früh in die Kirche, so war sie noch nicht da; wartete er bis spät, so daß er meinte, er sei der letzte, so kam sie doch immer noch später und war die Allerletzte. Und wenn er nach der Predigt auch sogleich fortgieng, so war sie doch jedesmal schon vor ihm hinausgegangen und war wie verschwunden.

So hatte Eschenfidle schon an fünf Sonntagen die Kirche besucht. Am sechsten endlich ließ der Kaufmann alle Leute bis auf das schöne Fräulein in die Kirche gehen und bestrich dann den Steinboden vor der Kirchenthür mit Pech und verbarg sich in der Nähe. Er dachte nämlich, das schöne Mädchen sollte mit ihren Füßen an dem Pech sich festtreten und dann wollte er es wieder losmachen und mit ihm reden. Und richtig kam auch Eschenfidle alsbald und

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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 156. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_156.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)