Seite:Meier Volksmärchen aus Schwaben 195.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

In einem Wirthshause, wo die Brüder unterwegs einkehrten, beschloßen sie, daß von hier ein jeder einen verschiedenen Weg einschlagen sollte, daß sie aber nach fünf Jahren an demselben Tage und in demselben Wirthshause sich wieder zusammen finden wollten. Nun, das war gut. Nachdem sie diese Verabredung getroffen hatten, trennten sie sich und ein jeder zog seiner Straße nach.

Da kam denn der kluge Martin alsbald an eine Brücke und hörte daselbst ein Glöcklein läuten und dachte: wie mag eine Glocke so für sich läuten? denn er sah keinen Menschen dort. Als er aber genauer sich überall umsah und eben die Brücke von unten näher betrachten wollte, trat ihm ein Mann entgegen und sagte: „was suchst Du hier, und wo willst Du hin?“ Sprach der kluge Martin: „ich bin ein Schuhmacher und suche Arbeit und habe mich hier über das Läuten der Glocke verwundert; aber nun sag mir auch, wer Du bist und was Du hier machst?“ Da sprach der andere: „ich bin ein Räuber.“ – „O, sagte der kluge Martin, dieß Handwerk habe ich zwar nicht gelernt, aber ich denke mir, ich verständ es doch; weißt Du was? behalt mich hier! ich will auch ein Räuber werden!“ Der andre meinte, er wolle ihn wohl einstweilen da behalten; allein unter die Räuber dürfe er Niemand für sich aufnehmen, das könne nur sein Meister thun und der sei nicht zu Haus. Da wartete der kluge Martin drei Tage lang, da kam der Räuberhauptmann zurück, und nachdem ihm Martin seinen Wunsch eröffnet hatte, sagte er: ja, er wolle ihn wohl aufnehmen, aber er müße vorher erst eine Probe ablegen und seine Geschicklichkeit zeigen.

Empfohlene Zitierweise:
Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_195.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)