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63. Der Räuberhauptmann und die Müllerstöchter.

Es war ein reicher Müller, der wohnte ganz allein in einem Thale und hatte drei schöne Töchter; von denen hörte ein Räuberhauptmann und fuhr in einem prächtigen Wagen hin und bat, daß der Müller ihn doch beherbergen möge. Ja, das wollte er wohl thun. Wie sie nun Abends bei Tische saßen und allerlei mit einander redeten, so sagte der Fremde auch, daß er noch unverheirathet sei und fragte den Müller, ob er ihm nicht eine von seinen Töchtern zur Frau geben wolle. Der Müller, der den Räuber für einen vornehmen Herrn hielt und meinte, daß seine Tochter nicht beßer versorgt werden könne, sagte ja, er solle sich nur eine auswählen. Da wählte er sich die älteste.

Nun hätte der Räuber gern sogleich Hochzeit gehalten; allein der Müller sagte: die Aussteuer müße erst noch gemacht werden. Dafür dankte zwar der Fremde; denn sein Schloß sei mit Allem wohl versehen. Aber die Tochter selbst wünschte vor ihrer Verheirathung die Wohnung ihres Bräutigams einmal zu sehen; deshalb wurde die Hochzeit noch aufgeschoben, und sie fuhr einstweilen zum Besuche mit. Da wurde ihr aber der Weg sehr lang. Es gieng durch Berg und Thal, immer dichter und tiefer in den Wald hinein. „Kommt dein Schloß noch nicht bald?“ fragte sie immer ängstlicher ihren Bräutigam. „Es wird bald kommen! sagte er jedesmal, nur noch ein wenig Geduld!“ Endlich und

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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 224. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_224.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)