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Sehr merkwürdig sind die Berührungen mit Erzählungen in 1001 Nacht, auf die bereits Grimm bei 7 Märchen hingewiesen. – Seit den Kreuzzügen war der Verkehr mit den Arabern sehr lebhaft und so könnte durch mündliche Ueberlieferung (namentlich auch durch die spanischen Araber,) manches morgenländische Märchen uns zugeführt worden sein, wie ja auch die Erzählung von den sieben weisen Meistern und Einzelnes in andern Volksbüchern, z. B. im Herzog Ernst, nachweisbar dem Orient angehört. Andrerseits aber enthält jene arabische Märchensammlung, die als Schriftwerk erst spät unter uns bekannt geworden ist, nicht wenige Züge, die offenbar germanischen Ursprungs sind. Dahin möchte ich unter andern die Erwähnung von Schwanenjungfrauen rechnen. Einzelne weitere Berührungen mögen sich daraus erklären, daß der eigentlich mythische Haupttheil dieser Märchen den mit uns stammverwandten Indern angehört.

Eine besondere Eigenheit der schwäbischen Märchen ist es, daß einige noch, ganz wie die mehr geschichtlichen Sagen, sich an bestimmte Oertlichkeiten knüpfen. So z. B. Nr. 16, das Märchen vom Räuber Matthes; Nr. 22, Fläschlein, thu deine Pflicht; Nr. 59, der langnasige Riese und der Schloßergesell; Nr. 61, das Nebelmännle; Nr. 74, der Knabe, der zehn Jahre lang in der Hölle gedient, u. a. m. Ich habe deshalb einige Stücke der Art, z. B. die Befreiung der Jungfrau von einem Drachen, die sich an das Dorf und ehemalige Schloß Drackenstein knüpft, der Sagensammlung zugetheilt.

Mögen Kinder und Unverbildete an diesen anspruchlosen Märchen, die einen reichen Schatz echter Poesie enthalten, sich nicht minder erfreuen, als ich selbst beim Suchen und Sammeln derselben mich stets erfreut und erfrischt habe.

Tübingen, im Winter 1852.

Dr. Ernst Meier.     
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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite VIII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_A_008.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)