Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band | |
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Die Wasser gehören zu der Gattung der alkalisch-salinischen. Sie sind heilsam bei Lungenübeln, Krankheiten der Verdauungsorgane, gichtischen und rheumatischen Beschwerden, und den aus Entnervung entstehenden Leiden. Ihre Wirksamkeit gegen weibliche Krankheiten hat sie langst berühmt gemacht. Badezeit von Juni bis August.
Die herrliche, bald wilde, bald liebliche Natur in der Gegend giebt den das Bad Besuchenden Gelegenheit zu den mannigfaltigsten Lustpartien, zu Fuß und zu Esel; Pferde sind wegen der Steilheit der Gebirge nicht anwendbar. Die schönsten, am häufigsten besuchten, Punkte sind: Drausenau, ½ Stunde entfernt, im Lahnthale aufwärts, mit Mineralquellen; ½ Stunde im Thale weiter hinauf, Nassau, mit höchst reizender Umgebung und der alten Burg Hartenstein; – die Silberhütte (1½ Stunde fern) in wild romantischer Lage, mit der Silberschmelze und den Pochwerken; – die Sporkenburg, eine verfallene Veste mit einem mehrstimmigen Echo; – die Markusburg, ein festes Schloß, noch als Staatsgefängniß benutzt, mit den barbarischen Einrichtungen des Alterthums: der Folterkammer etc. – Unter den Spaziergängen in der unmittelbaren Nähe des Bades sind der Henriettenweg und der nach der Mooshütte die lohnendsten. Letzterer ist sehr steil – führt auf in die Felsenmassen gesprengten Treppen eine unerklimmbare Wand hinan, von der man, auf hohen Felsenabsätzen, schauerlich-schöne Blicke in’s tiefe Emsthal genießt. Jenseits der Lahn, am Spießberge, ist die sogenannte Hundsgrotte, deren Ausdünstung, ähnlich der bei Neapel, jedes sie betretende Wesen betäubt.
Die Gegend um Rom ist öde und einsam. Dem Wanderer scheint’s, als habe die Natur dort alles dem Menschen überlassen und als habe der Mensch, nach Aufrichtung der Werke seines Ruhms, das Land geflohen. Es ist ihm als müßten’s Wesen höherer Art gewesen sein, jene Menschen, sieht er den armen Bewohner der Campagna träge umherschleichen auf den baumlosen Felde, von dem sich, wie riesige Gespenster, Säulen erheben und Bautrümmer, Cyklopenwerken ähnlicher als Werken von schwachen Sterblichen. Beklommener Gefühle voll späht sein Auge am Horizont – da plötzlich ragt das Zeichen des Kreuzes über eine Wolke von Rauch und Dünsten! – Es ist das Kreuz der Peterskirche auf dem Vatikansberge, und bald wölbt sich unter ihm ihr ungeheurer Dom. Der prächtigste Bau der neuen Roma, der Christenheit herrlichster und heiligster Tempel, steht entschleiert vor seinem Auge!
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen und New York 1833, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_1._Band_1._Auflage_1833.djvu/24&oldid=- (Version vom 2.6.2024)