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Seite:Meyers Universum 1. Band 1. Auflage 1833.djvu/40

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jeder Krümmung des Stroms, fast mit jedem Ruderschlage, öffnet sich eine neue Gegend. Es ist dem Reisenden, als durchblättere er eine Mappe der herrlichsten Landschaften. Aber hastig und sonder Rast ist er – namentlich der Dampfbootreisende – genöthigt fortzublättern und das Ende von Dem, dessen Anfang überschwenglicher Genuß war, ist für ihn nur zu oft Ermüdung. Die Meisten, die das Rheinthal auf dem Dampfboot durchfliegen, fühlen bei ihrer Ankunft in Cöln Uebersättigung und klagen über Täuschung. Haben sie Recht? Soll man in Augenblicken genießen wollen, was nur in Tagen genossen zu werden bestimmt ist? „Ein ganzer Sommer gehört zur Rheinreise,“ bemerkt ein geistreicher Britte; „wer soviel Zeit nicht dazu verwenden kann, der darf nicht sagen, daß er die Wunder dieses Paradieses und seine Freuden ganz erschaut und ganz genossen hat.“ –

Wir werden die herrlichsten Ansichten jener gefeierten Gegenden unsern Freunden, nicht in ermüdender Aufeinanderfolge, sondern im Wechsel mit andern vor Augen führen. Wir beginnen mit der neben uns liegenden Ansicht, eine der schönsten, welche dem eben im Allgemeinen charakterisirten pittoreskeren Theil des Rheinthals, nach dessen kurzer Erweiterung in die lachende, entzückende Gegend von Koblenz, angehört. Es ist die der uralten Stadt Andernach, vom Flusse aus aufgenommen, gegenüber ihrem hohen, riesigem Thurm, ein Werk der Römer.

Das Städtchen selbst (4 Stunden von Coblenz am linken Stromufer) bietet wenig Merkwürdiges dar. Es ist winklich gebaut, und hat in seinen 460 Häusern etwa 3500 Einwohner, die sich theils von dem hier befindlichen Gymnasium, hauptsächlich aber von den nahen Eisengruben und Lavabrüchen und sehr beträchtlichen Gerbebereien nähren. In der Nähe befinden sich die Trümmer des alten Palastes der fränkischen Könige. Der Rheinlauf muß sich seit dessem Erbauung in dieser Gegend sehr verändert haben, denn die Trümmer liegen eine gute Strecke vom jetzigen Stromufer, obschon die alten Chronisten erzählen, der Palast habe so dicht am Strome gestanden, daß man aus dessen Fenstern im Rhein habe angeln können. Der zunächst merkwürdige Punkt ist die Ruine der Burg Hammerstein, auf einem hohen Felsen dicht am Ufer sich aufthürmend, deren langer schwarzer Schatten vor der untergehenden Sonne, wie ein Geist, die Wogen, bis aufs jenseitige Ufer hinüber langend, beschreitet. Ein anmuthiger, an den schönsten Aussichten reicher Pfad führt zur Burg Schweppenburg, – ein ziemlich erhaltenes Bergschloß am Ausfluß der tobenden Brohl. In der Nähe sind eine Menge Höhlen; und zerrissene Felsen, und ungeheure Lavabetten, jetzt als Steinbrüche ausgebeutet, zeugen von der Thätigkeit eines vor Jahrtausenden erloschenen Vulkans, dessen eingestürzter Kegel sich 2 Stunden tiefer im Lande aus einer Hügelkette 700 Fuß über den Rheinspiegel emporhebt. Sein Krater, ein Kessel an 1300 Morgen groß, ist jetzt ein tiefer See. Auf dem Rande desselben entspringen mehr als 100 Quellen und eine Höhle in der Nähe haucht immer noch erstickende Dämpfe manchmal in solcher Menge aus, daß die sie betretenden Thiere davon sterben. Der See, obschon auf einem Berggipfel, friert niemals zu. Rund um sind die Gruben von verhärteter vulkanischer Asche (Traß), mit der Holland seit Jahrhunderten seine Schleußen baut. Lavablocke werden hier zu den vortrefflichsten Mühlsteinen verarbeitet und weithin versendet. – Die Ansicht von Coblenz und Ehrenbreitstein, eine trefflich ausgeführte Platte, wird das nächste Heft zieren.