Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band | |
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verschwundene Zeit. Der kreuzgeformte Saal, die seltsam gestalteten, mit Schnitzwerk bedeckten himmelhohen Schränke, die ungeheuern Fenster, sechzig Fuß hoch und fast ein Drittel so breit, alle von buntfarbigem, mit den kostbarsten Malereien bedeckten Glase, die prächtige Decke in 1000 goldberahmte azurblaue Felder getheilt, in jedem derselben das Conterfei einer aufgeschlagenen Bibel, auf der 4 silberne Kronen liegen, – selbst die in den Gallerien umherwandelnden oder an den Tafeln sitzenden Universitätslehrer und Bibliothekare im Kostüme Luthers; Alles wirkt bezaubernd auf den Schauenden und entrückt ihn unwillkürlich der Gegenwart. In der Mitte der hohen Schränke läuft eine Gallerie umher, um mit geringerer Mühe und Gefahr zu den höher stehenden Büchern gelangen zu können. Quer durch den Saal zieht sich eine lange Gasse geschlossener, mit allen Bequemlichkeiten versehener Kabinets hin. Jeder, der es mag, kann sich mit den gewählten Büchern in ein solches zurückziehen, und hier ganz ungestört allein arbeiten; eine gewiß nachahmungswerthe Einrichtung.
Diese Bibliothek, in der Welt die am reichsten dotirte, erhält alljährlich durch Ankauf von Literaturschätzen in allen Ländern und durch patriotische Vermächtnisse großen Zuwachs. Neue Gebäude, welche jetzt aufgeführt werden, sollen bewahren, was das alte, trotz seiner ungeheuern Größe, nicht mehr fassen kann. Neben der Bibliothek befindet sich ein Museum für Antiken und eine Gemäldegallerie. Höchst merkwürdig ist noch die weltbekannte Universitäts-Buchdruckerei (CLARENDON-PRESS), die größte, vollständigste und besteingerichtete auf der Erde. Sie ist in einem, im reinsten griechischen Geschmack aufgeführten, tempelartigen Gebäude und beschäftigt nahe an 500 Personen. Hier wird in mehr als 300 Sprachen gedruckt, für die Bibelgesellschaften allein sind gewöhnlich 40 Pressen im Gange. Die in dieser Anstalt gedruckten Werke aller Art füllen eine Bibliothek von circa 26000 Bänden, welche in einem eigenen großen Saale aufgestellt sind. – Sehr sehenswerth sind auch: der botanische Garten, das große naturhistorische Museum, die Sternwarte und eine Menge andere auf Wissenschaft und Kunst Bezug habende Anstalten, deren Einzelanführung aber weder Raum, noch Zweck dieses Werks gestatten.
Der Zauber, den Florenz auf jeden empfänglichen Menschen ausübt, ist nicht nur in den Eindrücken einer reichen und heitern Gegenwart, sondern auch in den Erinnerungen einer glorreichen Vorzeit, deren Denkmale bei jedem
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen und New York 1833, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_1._Band_1._Auflage_1833.djvu/59&oldid=- (Version vom 5.6.2024)