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Seite:Meyers Universum 2. Band 6. Auflage 1835.djvu/147

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Die Länge der Cathedrale mißt 411 Fuß, ihre Höhe fast hundert. Fest und stark wie ein Fels und auf Felsen ruhend verbürgt ihre Bauart noch Dauer für Jahrtausende.




LXXVII. Bonn.




Wieder einmal betreten wir das Gestade des Rheins, jene gepriesene Gegend des Vaterlandes, wo die Allmacht mit verschwenderischer Hand ihre schönsten Gaben ausstreute, jenen weiten Tempel der Natur, in welchem der gemüthliche Mensch nie ohne Andacht verweilen kann.

Bonn, der Schlußstein gleichsam von diesem Tempel, vereinigt in seiner Umgebung Alles noch einmal, was das Rheinthal, von Mainz abwärts, Schönes beut. – Das Angenehme und Malerische wechseln mit dem Grandiosen und Romantischen der Landschaft in reizender Mannichfaltigkeit. Klare, murmelnde Bäche mit stillen, heimlichen Gründen, neben einem gewaltigen, stolz sich dahinwälzenden Strome, dessen Rücken Seeschiffe trägt; breite Fluren, blumige Auen, üppige Weingärten neben schattigen Hainen und dunkeln Wäldern; sanfte Hügel und freundliche Niederungen; daneben tiefe Thäler zwischen hohen Bergen, ausgeschmückt mit allen Reizen der Felsennatur; dazu auf Höhen und in Ebenen die vielen Ruinen von Römerkastellen, Burgen, Klöstern und Schlössern, welche, mit den glänzenden Palästen der Neuzeit, gleichsam wie ein Panorama der Weltgeschichte an dem Blicke vorüberziehen: – Alles dieß zusammen findet sich in einem Kreise von wenigen Stunden, von dem Bonn selbst den Mittelpunkt bildet. –

Diese Stadt, unter den Rheinstädten eine der ansehnlichsten, ist zugleich der ältesten eine. Schon vor der Römerzeit war sie vorhanden – und hieß ARA UBIORUM, Hauptort der tapfern Ubier, eines beide Ufer des Niederrheins bewohnenden Germanenstammes. Nach dessen Ueberwältigung durch die Römer hieß sie Bonna, CASTRA BONNENSIA. – Die 16. Legion hatte hier, bis zum Verfall des Weltreichs, ihr Lager. Constantin der Große erweiterte und befestigte die Stadt; und seine Mutter, Helene, stiftete und bauete das Münster.

In dem chaotischen Zustande, der den Untergang Rom’s und die Völkerwanderung zur Folge hatte, wurde Bonn verheert; aber immer erhob es sich bald wieder aus den Trümmern. Unter den Carolingern brannten es die