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Seite:Meyers Universum 2. Band 6. Auflage 1835.djvu/61

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LIX. Gotha.




Im Herzen von Deutschland, am nordöstlichen Fuße des Thüringer Waldgebirges, dessen zahlreiche Thäler, eng und schroff, zwischen Fels- und Tannenwänden, wildrauschende, klare Waldbäche durch romantische Gegenden einer heitern und gesegneten Ebene zusenden, liegt Gotha, im gleichnamigen Herzogthume die Hauptstadt, und unter den Städten aller herzoglich sächsischen Länder die größte und schönste. Ihre aus einem dichten, breiten, mit zierlichen, zum Theil prächtigen, Villen geschmückten Gartenhaine hervorschauenden Häuserreihen lagern sich, als meistens hübsche Straßen, theils auf einer von dem Leinaflusse bewässerten Ebene, theils umkränzen sie die untere Hälfte der Abend- und Mitternachtseite eines auf breiter Base ruhenden 250 Fuß hohen Hügels. Dessen obere Hälfte und dessen Seite gen Mittag bekleiden großartig entworfene Parkanlagen, und auf einer weiten Terrasse am östlichen Abhange ist zwischen schön gebauten und massiven Pflanzenhäusern eine der prächtigsten Orangerien aufgestellt, die man in Deutschland sehen kann. Oben aber auf dem Plateau des Hügels, weithin und durch halb Thüringen sichtbar, prangt majestätisch Gotha’s Fürstenburg – der Friedenstein, – an Größe und Bauart viele Paläste von Königen übertreffend, an Reiz der Lage von wenigen erreicht, und unter den Wohnungen deutscher Fürsten eine der allerherrlichsten. Stadt und Schloß, beide mit reizender Gartenumgebung, und die prachtvolle, mit Schlössern und Ritterburgen auf waldigen Hügeln geschmückte Gegend, geben ein Ensemble voll malerischer Ansichten, zu welchen die amphitheatralisch sich hinter einander erhebenden Bergreihen des Thüringerwaldes süd- und westwärts, nach Nord und Ost aber der blaue Aether eines fast unbegrenzten Horizonts die Hintergründe bilden. Am prächtigsten erscheint die Stadt von Mitternacht her; ein Blick überschaut die fast bis zum Plateau des Schloßberges hinan steigende Häusermasse ganz. Eine mehr westliche Ansicht ist die für unsere Darstellung gewählte.

Die Stadt hat in etwa 1200 Häusern ungefähr 14,000 Einwohner, deren Mehrzahl Gewerbfleiß und heiterer Lebenssinn charakterisirt. Was aber Gotha auszeichnet vor eine Menge weit größerer Städte ist nicht sowohl Geld-Reichthum, (denn nicht dieser, sondern eine durch alle Klassen verbreitete Wohlhabenheit ist hier zu Hause!) als eine seltene Fülle von Intelligenz und Bildung, die erblich, möchte man sagen, hier angetroffen wird. – Gotha war lange Zeit her nicht nur für Deutschland, sondern selbst für entferntere Länder eine Pflanzschule gelehrter Manner. Seit Jahrhunderten hat es stets einen Kreis von solchen besessen, und viele, die in der Wissenschaft und der Kunst unendlichem Raume als Sterne erster Größe glänzen[1]. In Gotha’s altem (nun erloschenen!) Fürstenhause, vom großen Ahnherrn – Ernst dem Frommen – an bis zum genialen August herab, war warme Theilnahme

  1. Wir nennen unter den Zeitgenossen nur die Namen: Löffler – Bretschneider – Jacobs – Zach – Salzmann – Lindenau – Schlotheim – Döring – Uckert – Schlichtegroll – Becker – Stieler – Arnoldi – Encke – Weishaupt – Manso – Spohr – Romberg.