Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zweiter Band | |
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der sich immer der Bildung zugesellt, weil diese zahlreichere und höhere Bedürfnisse kennen lehrt. Auch die fast allgemeine Wohlhabenheit unter den Landbewohnern und der durch die trefflichen Schulanstalten unter ihnen geweckte Sinn für das Schönere und Bessere, geben den städtischen Gewerben eine ihrer kräftigsten Stützen. Unter den größern Industrieanstalten sind die Porzellanfabrik (eine der ältesten und besten Deutschland’s), die Kattunmanufaktur, die von hier aus geleitete Elgersburger Fabrik für Emilian und Steingut, die Tabak-, Schuh-, Tapeten-, Farb- und Buntpapier-Manufakturen, die Buch-, Stein- und Kupferdruckereien, (diese größtentheils von ein paar bedeutenden Verlagshandlungen beschäftigt) bemerkenswerth. – Unter den Gebäuden Gotha’s nennen wir die große, aber im vorletzten Jahrhundert im schlechtesten Geschmack modernisirte Neumarktskirche, das einen herrlichen Markt mehr versperrende als zierende geräumige Rathhaus mit seinem plumpen Thurme, das weitläufige, aber schwerfällige und keinen Anspruch auf architektonische Schönheit habende Waisenhaus, die Innungshalle (Börse), das ehrwürdige Augustinerkloster, (wo Luther predigte) jetzt das Lokal des Gymnasiums und der städtischen Schulen, und die fürstlichen Wohnungen in den Vorstädten: – Friedrichsthal, das Palais der Herzogin Wittwe und das ehemalige des Prinzen August (letzteres im besten italienischen Styl) blos mit Namen. – Aber Schloß Friedenstein nimmt unsere nähere Betrachtung in Anspruch. – Herzog Ernst der Fromme, von so vielem Großen der Schöpfer, war sein Erbauer. Als eins der größten Werke des 17. Jahrhunderts, welche Zeit einem ganz verdorbenen, halb italienischem, halb französischem Baustyle fröhnte, ist es zweifach merkwürdig durch das sichtbare Streben, sich von diesem Geschmack weg und einem edleren zuzuwenden. Auch hier zeigt sich der weit über seine Zeit erhabene große Geist des Gründers. – Dieser Palast nimmt die Stelle der ehemaligen herzoglichen Residenz und Veste Grimmenstein ein, welche, in Vollziehung der über Herzog Friedrich dem Mittlern, wegen Aufnahme des vogelfreien Grumbach’s verhängten Reichsacht, zerstört wurde. Es besteht aus dem der Stadt zugekehrten vierstöckigen Hauptgebäude von 330 Fuß Länge und 71 Fuß Tiefe, an welches, rechtwinklich, 2 dreistöckige Flügel, jeder von 270 Fuß Länge und 51 Fuß Tiefe stoßen, die in kuppelförmig überbauten, vorspringenden, viereckigen Pavillons von 141 Fuß Höhe endigen. – Das Hauptgebäude hatte früher in der Mitte einen schönen Thurm, den man aber, aus Furcht, das Fundament möchte dem Druck der ungeheuern Steinmasse nicht widerstehen können, vorlängst abnahm. Dadurch ward das Verhältniß gestört, und das einförmige, allzuhohe Dach an diesem Theile des Palastes macht einen widrigen Eindruck. Auch das Portal ist der Größe des Baus durchaus unangemessen und kleinlich. Höchst großartig ist aber die Rück- oder die Hofseite dieses Fürstenhauses. – Die sämmtlichen Gebäude öffnen sich nach dem Hofe hin im untern Stock durch 16 Fuß weite Arkaden, welche ihre halbkreisförmigen Bogen auf mächtige, fünf Fuß starke Pfeiler stützen. Die südliche Seite des Vierecks besteht blos aus diesem Bogengange, dessen Platform mit Kupfer gedeckt ist. Sie bildet die Verbindung der Bel-Etage (der Wohnung des Fürsten) mit den beiden eine Bibliothek und Kunstsammlungen enthaltenden Eckpavillons. Dieser Schloßhof, dessen Länge 297 Fuß und dessen Breite 228 Fuß beträgt, der also einen
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zweiter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen und New York 1835, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_2._Band_6._Auflage_1835.djvu/63&oldid=- (Version vom 15.6.2024)