Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zweiter Band | |
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faßte den kühnen Gedanken, die Grundfeste des Gebäudes 4 Ellen tief in den Felsen selbst einzusenken, so daß es mit demselben eins werde, und der Wuth der Wellen eben so wenig Zerstörbarkeit biete, als der Felsen selbst. Er mußte diese Riesenarbeit in ununterbrochenem Kampfe mit dem Meere vornehmen. Sie begann 1807. Er ließ die Oberfläche des Felsens ebnen, auf der Mitte desselben eine kreisförmige Höhlung von 35 Fuß Durchmesser und 8 Fuß Tiefe ausbrechen, und in dieselbe die Grundmauer aus Granitblöcken genau einpassen. Schwalbenschwanzartig wurden die ungeheuern Steine, jeder 2 bis 4000 Zentner schwer, mit einander verbunden, und so stieg die Mauer empor. Ihr Durchmesser nimmt in der Höhe ab, um die Wirksamkeit des Wellenschlags zu schwächen, und mißt am obern Ende nur noch 19 Fuß. Bis zur Höhe von 32 Fuß über den Spiegel des Meers ist der Thurm ganz massiv, völlig Fels. – Erst weiter hinauf ist sein Inneres hohl, und erst da befindet sich der Eingang durch eine schmale Thür, welche bei Sturm und hoher See ventilartig verschlossen werden kann. Man gelangt zu ihr mittels einer Strickleiter, die bei ruhigem Wetter an der Mauer herunter in’s Meer hängt, bei stürmischem aber hinaufgezogen wird. Wer aber an diese Art zu steigen nicht gewöhnt ist, fährt in einem Sessel, den ein Krahn in Bewegung setzt, in die schwindelnde Höhe zum Plateau, das ein kranzförmiger Wellenbrecher umgibt. Der obere Theil des Leuchtthurms ist in 6 kleine Gemächer abgetheilt, einige zur Wohnung der 4 Lichtwärter, welche den Dienst abwechselnd verrichten; andere zur Aufbewahrung der Vorräthe von Brennmaterial und Lebensmitteln, denn in stürmischer Jahrzeit ist oft Tagelang der Thurm unzugänglich. Die Laterne (die Lichtkammer) ist ganz aus Gußeisen und, wie ein Gewächshaus, mit hohen Glasfenstern versehen, die aus fast zolldickem Spiegelglas, 2 Tafeln stets auf einander gelegt, gemacht sind. Außerdem haben sie noch Sturmläden, welche sie vor der Wuth der Wogen schützen, wenn, wie häufig geschieht, der Orkan sie thurmhoch und mit gräßlichem Geheul bis zum Scheitel der Leuchte hinan peitscht. Die Lichtkammer ist im Ganzen 15 Fuß hoch, achteckig, und mit einem schönen, vergoldeten Spitzdach aus Kupfer gedeckt.
Das Brillantfeuer, welches des Nachts in einer Entfernung von 10 Stunden den Schiffern sichtbar ist, wird durch eine Doppelreihe argandischer Lampen hervor gebracht, deren jede in dem Brennpunkte eines großen, silberplattirten, ovalen Reflektors von 2 Fuß Durchmesser steht. Sie sind sämmtlich an einem eisernen Gestell befestigt, welches durch eine Art Uhrwerk in gleichförmiger, umdrehender Bewegung erhalten wird. Vor mehren der Lampen befinden sich Scheiben von rothem Glase, das in New-Castle gemacht wird, und dem alten Rubinglase ganz gleich kömmt. Dieß hat den Zweck, das Licht des Leuchtthurms so zu wechseln, daß es, bei der steten Rotation, in der Ferne bald roth, bald weiß erscheint und dadurch von dem Meere aus von jedem andern Lichte ohne Mühe unterschieden werden kann. Die Lampen werden mit wasserhellem, sorgfältigst gereinigten Oel gespeist. Um jeder Beschädigung durch Zufall sofort abhelfen zu können, sind alle Theile des Apparats doppelt vorhanden, und einer der Wärter ist stets Mechaniker und mit einem vollständigen Arbeitsapparat versehen. –
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zweiter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen und New York 1835, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_2._Band_6._Auflage_1835.djvu/67&oldid=- (Version vom 16.6.2024)