Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Dritter Band | |
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Unter allen ragt die Bergveste Trostberg hervor, hoch auf unzugänglichen Felszacken, und mit ihren sieben Thürmen wie ein Obelisk gen Himmel strebend. Diese Burg, eine der ältesten des Landes und eine der besterhaltenen, befindet sich in einem bewohnbaren Zustande, und war in der Zeit des Faustrechts, als die räuberische Gewalt noch die Löwenhaut trug, welche sie in civilisirterer Zeit zu unbequem fand und darum ablegte, eine der gefürchtetsten Zollstätten und der Schrecken aller des Wegs ziehenden Fuhr- und Handelsleute. Ohne Zweifel hatten ihre Besitzer das Lokal gut gewählt. An der Straße, auf der sich Venedigs Handel mit dem Norden bewegte, war das Adlernest, nach damaliger Weise Krieg zu führen, so gut als unangreifbar, weswegen auch alle Zerstörungsversuche unschädlich an ihm vorübergingen. Wie durch Wunderkraft auf den spitzigen Felsen in räthselhaftem Gleichgewicht gehalten, ist es nur durch eine Brücke zugänglich, welche über eine 200 Fuß tiefe, breite Schlucht zum befestigten Nachbarberge führte, und war die Zugbrücke aufgezogen, so saßen diese Zöllner der alten Zeit sicher in ihrem Horste und konnten jeder sich ihnen nahenden Uebermacht spotten.
In den verödeten Hallen dieser merkwürdigen Burg, mit ihren Verließen und Folterkammern, waltet noch ganz des Ritterthums romantischer Geist, und sie wäre vortrefflich geeignet, um zu einem Gegenstück von Götz von Berlichingen zu begeistern, dessen Dichter freilich kein Göthe von Gesinnung seyn dürfte.
Zwei Stunden von Bonn, stromaufwärts, bei dem Städtchen Königswinter, rücken die Bergufer des Rheins näher an einander. Das westliche erhebt sich als ein mächtiger, an tausend Fuß hoher Felsen, der tief in den Strom hinein tritt, welcher ihn zürnend umbraußt. Kühn, verwegen fast, überhängen die braunen Steinmassen die Gewässer, gleichsam des Fluthennachbars zu spotten, der seit undenklicher Zeit ihre Grundfesten bespült.
Theils Hochwald, theils niedriges Gesträuch bekleidet den Berg bis zum Gipfel, auf dem ein düsteres Mauerwerk steht, eine der merkwürdigsten Ruinen Deutschlands. Dort oben nämlich, wo das Auge unterwärts das große Wasser, ein grünendes Eiland, schwarze Waldgruppen und schauerliche Schlünde um sich her erblickt, und freundliche,
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Dritter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam und New York 1836, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_3._Band_1836.djvu/163&oldid=- (Version vom 8.8.2024)