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Seite:Meyers Universum 3. Band 1836.djvu/184

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Nebenbuhlerin von Bagdad. Der Segen der Natur, mehr noch der Zauber des Throns, zogen die angesehensten Familien des Reichs in seine Mauern, und ein Pallast stieg nach dem andern empor. Die Liebe zu den Wissenschaften und der Kunst schmückte häufig den Thron der Chalifen; Cordova ward der berühmteste Sitz der Bildung. Als Rom, verwüstet, in Schutt lag, Italien abwechselnd dem Greuel der Bürgerkriege und der Plünderung der Sarazenen preisgegeben in Barbarei versank, in Byzanz die Kultur verknöcherte und das oströmische Reich seine Lebenskraft im vielhundertjährigen Todeskampfe gegen die Ungläubigen verblutete; als der von Karl dem Großen im Westen der Pyrenäen angezündete Strahl der Kultur wieder längst erloschen war, und in Frankreich, in Deutschland, in England und in den Ländern der Donau das rohe Faustrecht und die vom euxinischen Meere einwandernden Horden Alles in Finsterniß und Verwilderung stürzten: war Cordova der Altar, auf welchem der Kultur heiliges Feuer fortbrannte, das leuchtende und erwärmende Strahlen in des Westens barbarisches Dunkel warf.

Aber nach dem ewig wiederkehrenden Verhängniß der asiatischen Reiche, als unausbleibliche Folge des Einflusses der Despotie, auf welche sie alle sich gründen, (da jene immer erstarrend auf das gesellschaftliche Leben und geisttödtend auf die Völker wirkt,) ermattete im Laufe der Jahrhunderte das Chalifat; sein Glanz fing an zu erbleichen. Der Enthusiasmus, welcher die Zöglinge des Propheten in der ersten Periode des Reichs zur Ausbreitung des Korans und zur Ehre Allah’s fröhlich in die Schlachten gegen die fort und fort mehr Macht und Ruhm gewinnenden Christenheere der fränkischen Herrscher, und die wie ein Phönix aus der Asche hervorgehenden Gothischen Volksreste trieb, wurde schwächer; die erste Heldenperiode war vorüber. Liebe des Genusses, Neigung zu friedlichen Gewerben, zur Ruhe, und stille Wißbegierde hatten den kühnen Geist der Araber gebändigt, ihre Schwerter stumpf gemacht. – Glücklich noch für sie, wären sie einig geblieben, hätte Theilung der schon geschwächten Kraft diese nicht noch mehr vermindert. Das Haus der Omaijaden, unter welchem Cordova so groß geworden, fiel (1038) nach dreihundertjähriger Dauer durch Verschwörung und Aufruhr mächtig gewordener Vasallen; mit ihm das Chalifat. Das arabische Reich löste sich in eine Menge kleiner Staaten auf, und neben einander sah man die Königreiche Cordova, Toledo, Sevilla, Saragossa, Badajoz, Algarbien, Granada, Valencia, Murcia, Almeria, Mallorka u. s. w. entstehen. Schon hatten die Gothischen Stammreste von den Cantabrischen Gebirgen aus nach und nach die Araber aus ganz Gallizien gedrängt, und unter Ordogno dem Zweiten, der den Titel eines Königs annahm, sah man in Leon die Wiege der zu neuem Glanz emporblühenden christlichen Macht. Es war ein kleiner Haufen, diese Gothen, aber in jedem Einzelnen lebte die Begeisterung des Helden und die Idee, für den Triumph des Christenthums zu streiten, machte so zu sagen ihre Sache zu der des ganzen christlichen Europa. Es zogen ihnen alljährlich Schaaren der feurigsten, heldenmüthigsten Jünglinge aus den edelsten Geschlechtern der germanischen Völkerstämme zu, um in ihren Reihen den Ruhm des christlichen Namens erfechten zu helfen, und also ward ihr langer Kampf gegen die Mauren die glorreichste Periode des christlichen Ritterthums. Aber von der andern Seite erhielten auch die Sarazenen oft und in den gefährlichsten Lagen Hülfe von Glaubensbrüdern