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Seite:Meyers Universum 3. Band 1836.djvu/236

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Noch vor wenigen Jahrzehnten war Bethlehem ein lebhaftes Städtchen von 2500 christlichen Einwohnern, und es zeichnete sich durch ein schmuckes, reinliches Ansehen vor anderen syrischen Flecken aus. Seitdem ist seine Bevölkerung auf 800 herabgesunken, und unter dem eisernen Druck der egyptischen Herrschaft verfällt der Ort und verwildert die Gegend von Jahr zu Jahr. – Die Hauptnahrungsquelle der jetzt durchgängig armen Einwohner besteht in der Fabrikation von sogenannten heiligen Geräthen, als: Kreuzen, Kelchen, Rosenkränzen etc. etc. Aus wohlriechenden Hölzern, mit Perlmutter ausgelegt, fertigen sie auch jene bekannten Nachbildungen von syrischen Gnadenorten, z. B. der Kapelle des heiligen Grabes, der Geburtsgrotte zu Bethlehem etc., welche man, von Pilgern durch die ganze christliche Welt getragen, überall findet.

Das berühmteste und größte Gebäude in Bethlehem ist das von der Kaiserin Helena im 4ten Jahrhundert gegründete, das jetzige Franziskanerkloster. Es hat das äußere Ansehen eines alten Kastells. Durch eine sehr dicke und hohe, mit Schießscharten versehene Mauer führt eine schmale eiserne Pforte, welche zu allen Zeiten sorgfältig bewacht wird, aus Furcht vor Ueberfällen streifender Araber. In diesem Gebäude, welches den Raum einschließt, wo Christus geboren wurde, findet jeder Reisende, der reiche wie der ärmste, eine gastfreie Aufnahme.

Die Kirche der Geburt Christi steht in der Mitte des Klosters. Auch als bloßes Bauwerk betrachtet ist sie der sehenswürdigsten des Orients eine. Zuerst betritt man eine wirklich prachtvolle Halle, die auf beiden Seiten von einer Doppelreihe herrlicher Marmorsäulen getragen wird. Es sind in Allem 48, corinthischer Ordnung, vortrefflich erhalten, und auf ihnen ruht das Gebälke des Plafonds, welcher aus Cedern vom Libanon besteht. Dieser Theil des Gebäudes ist das Schiff der Kirche, welche die heilige Helena baute. Noch sieht man hier und da halberloschene griechische Inschriften an den Wänden, welche das Mittelalter mit Mosaiken und Gemälden überreich zu verzieren bedacht war. Der Fußboden besteht aus eingelegter Arbeit von polirtem Marmor. Ein prachtvoller Altar, über welchem die Anbetungsscene, zart und sinnig, plastisch dargestellt ist, (ein Werk aus dem 11ten Jahrhundert) ist den heiligen drei Königen geweiht.

Aus der Vorhalle führen einige Stufen zum Eingang in die eigentliche Kirche. Im kleinlichen, byzantinischen Geschmack gebaut und verziert, macht sie bei weitem den Eindruck nicht, welchen die so großartige Vestibule erwarten ließ. Sie ist ganz überladen mit geschmackloser Verzierung und mit Vergoldung. Diese Kirche gehört den armenischen und lateinischen Christen gemeinschaftlich, und auch hier wiederholt sich öfters das betrübende Schauspiel des Ausbruchs eines wüthenden Sektenhasses, das am Grabe des Erlösers so oft die Andacht vernichtet.

Aus der Kirche gehen etwa zwanzig Stufen hinab in das Sanktuarium, in die nämliche Grotte, in welcher, der frommen Ueberlieferung aus der christlichen Vorzeit zufolge, Jesus Christus das Licht der Welt erblickt hat. – Es ist ein aus dem lebendigen Fels gehauenes, kellerartiges Gewölbe, etwa 20 Fuß lang und 12 Fuß breit, dessen Decke in der Mitte ein gemauerter Pfeiler stützt. Obschon der Ort dem europäischen Begriff von einem