Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Dritter Band | |
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Aufgang der Sonne einen Ton von sich, welcher dem Springen der Saite einer Guitarre glich: – unstreitig eine durch die Priester unterhaltene Gaukelei. Wahrscheinlich zierten beide Kolosse den Haupteingang des Pallastes. – Tiefer im Gehölze, in geringer Entfernung von den eben beschriebenen Bildsäulen, glaubt man eine Menge unter Bäumen und Gesträuch umherliegender Felsblöcke zu erkennen, die aber in der That nichts sind, als Riesenstatuen. – Es sind ihrer so viele, daß man alle Hauptstädte der Erde damit schmücken könnte! Sie sind zerbrochen; viele messen aber noch 40 bis 50, eine selbst 65 Fuß! – Drei Reihen Säulen, deren Schafte nur wenig aus dem Boden hervorragen und deren obere Hälfte abgesprengt scheint, waren wahrscheinlich bestimmt, den Thronsaal des Monarchen zu tragen. Sie sind nebst den Kolossen die einzigen Ueberreste eines Denkmals, das den Pallast von Karnak an Ausdehnung noch übertroffen haben mag. –
Jenseits des Gehölzes prangt das Grabmal des Osymandias, so merkwürdig wie das Memnonium.
Ein nobler Portikus führt durch einen Pylon in den mit hohen Säulen umstellten Vorhof. Die innern Wände des Pylon zieren Reliefs bewundernswürdiger Ausführung, Bilder von Schlachten, Belagerungen, und Heldenthaten des Osymandias. Besonders schön ist das, welches den König darstellt, im Begriff, gefangene Fürsten zu richten. – Im Hofe liegen eine Menge Granitblöcke umher, in denen man bei näherer Untersuchung die Fragmente einer Statue von wahrhaft ungeheuerm Verhältniß erkennt. Sie gehören zu der berühmten Bildsäule des Osymandias, der größten der alten Welt. Sie war aus einem bei Syene gebrochenen Felsen rosenrothen Granits gehauen, und hatte ein Gewicht von mehr als 25,000 Zentner. Der Sockel, ebenfalls ein Granitblock, steht noch auf seiner Stelle. Er ist 36 Fuß lang, breit und hoch. Hieroglyphen bedecken seine Flächen.
2000 Jahre stand das Bild unversehrt, ein unantastbares Heiligthum. Cambyses, der Perser, der Eroberer Thebens, ließ es zerschlagen (525 Jahre v. Chr.).
Ein zweiter Monolith, die Statue der Mutter des Heros, war in kleiner Entfernung von jenem aufgerichtet; er ist verschwunden und nur der Sockel noch übrig.
Eine 200 Fuß breite Treppe führt aus diesem Hofe zu einer prächtigen, im zweiten Pylon befindlichen Pforte, durch welche man in den innern Hof gelangt, noch herrlicher verziert, als der äußere. Säulen von 30 Fuß Höhe und 8 Fuß Durchmesser bilden die ihn umgebenden Gallerien, welche in der großartigsten Prospektive – zwischen einer Allee von colossalen Osiris-Statuen von 30 Fuß Höhe – auf die 3 Pforten des Sanctuariums hinführen, das eine mit historischen Reliefs geschmückte Mauer vom Hofe trennt. Es war ein länglich-viereckiger Saal, von 60 Säulen, in 10 Reihen gestellt, getragen[WS 1]. 4 Reihen stehen noch aufrecht; die übrigen sind nicht mehr zu sehen. Alle Seitenwände des Sanctuariums sind mit Reliefs geziert, welche die Belagerung einer großen Stadt, die von mehren Citadellen beschützt wird, vorstellen. Osymandias, zu Wagen, vor sich her die Feinde niederschmetternd,
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: tragen
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Dritter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam und New York 1836, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_3._Band_1836.djvu/60&oldid=- (Version vom 28.7.2024)