Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Dritter Band | |
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seine Wasserstrahlen hoch in die Luft schleudert und in einem weiten Marmorbecken sammelt, ziert die Mitte des Hofes. Oben in den Gallerien sind die Wohnungen der Reisenden; unten die Ställe und Hallen für Pferde und Waaren. Hier ist reichlich Platz für 2000 Kameele und 5000 Menschen; wenn aber die große Jahres-Karavane nach Mekka sich hier sammelt, (die der Pascha mit 5000 Kriegern durch die Wüste zu geleiten hat,) dann beherbergt das Haus zuweilen wohl 10,000 Pilger.
Einen reizenden, erquickenden Aufenthalt gewähren zur heißen Jahreszeit die über den spiegelhellen, rauschenden Fluthen des Barrady auf eingerammtem Pfahlwerk angelegten Kaffeehäuser. Nach der Quayseite zu sind sie offen und auf Säulen ruhend, an denen sich blühende Schlingpflanzen hinaufranken. Springbrunnen plätschern in der Mitte der Salons, und des Abends, bei der reichen Beleuchtung argantischer Lampen hinter bunten Glasglocken, rufen sie unwillkührlich die morgenländischen Beschreibungen von Feenpallästen in’s Gedächtniß. Man denke sich dazu die Mährchenerzähler, die sich mit der Guitarre begleiten, die türkische Musik, die in Opiumträumen verzückten Gesichter der Türken, und die syrischen Tänzerinnen voll glühender Ueppigkeit.
Durch Damask’s Lage an der Grenze der Wüste, die es zum Sammelplatz der Karavanen, welche sie in mancherlei Zwecken beschreiten, und zum Markt macht für den Tausch aller Erzeugnisse Arabiens, Persiens und Ostafrika’s gegen europäische und westasiatische Waaren, wird reichlicher Verdienst seiner Bevölkerung immer gewiß, und bei der Ueppigkeit des Bodens fordert die Befriedigung der materiellen Ansprüche des Lebens hier weniger Anstrengung, als irgendwo auf der Erde. Aber trotz dieser äußern Zeichen der öffentlichen Wohlfahrt wird der schärfer Beobachtende doch bald gewahr werden, daß es um die höhern Interessen des Lebens hier um kein Haar besser bestellt ist, als im ganzen türkischen Reiche, und sich Christen nicht nur, sondern auch die meisten Muselmänner, nach Veränderung eines Zustandes sehnen, der ihnen längst als erdrückend, oder als unerträglich erschien. Ich rede hier, was alle Reisende von Bedeutung berichten, Männer, wie Buckingham, Kinneir, Chateaubriand, Joubert u. A., deren Zeugnisse von der im ganzen türkischen Reiche verbreiteten Sehnsucht nach einem politischen Messias einstimmig und unverwerflich sind.
Wer vermag auch die Uebel alle aufzuzählen, welche die Bevölkerung dieser Länder quälen! – Wie viele sind ihrer und wie alt sind sie schon geworden! – Sie gehen zurück bis auf die letzten Zeiten der alten Aera, als Römer und Griechen zu einem Volke verschmolzen waren. Alle Laster beider Nationen vereinigten sich damals, häuften sich auf. Physische Wollust, Blutdurst, Stolz des Patriziats, Verruchtheit des Sklaven, Kriecherei des Freien, alles Schlechte, was die alte Welt geschaffen, verband sich in Fäulniß und bildete ein häßliches Ungeheuer, einen aus Blut und Koth gekneteten Koloß: – die römisch-griechische Gesellschaft unter den Byzantinern.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Dritter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam und New York 1836, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_3._Band_1836.djvu/81&oldid=- (Version vom 31.7.2024)