Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Dritter Band | |
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und Reisende des englischen Gouvernements, oder brittischer Civilisations- und Entdeckungsgesellschaften, gleich thätig, die Wege auszukundschaften und anzubahnen, auf welchen das Riesenwerk, das unermeßliche Asien mit seinen 100 Völkern allmählich der europäischen Kultur zu gewinnen, gefördert werden könne. Aber nicht blos von dieser Seite allein, auch von der entgegengesetzten gewahren wir große Kräfte, die zu gleichem Zwecke sich rüsten. Wir sehen den größten unter den Strömen unserer Halbkugel, das Band, mit welchem der Schöpfer die Herzen beider Continente zu verknüpfen gedachte, das aber eine barbarische Politik niemals zu benutzen erlaubte, seinem natürlichen Zwecke zurückgegeben, und ist erst der Canal, der die Donau mit dem Rhein, das schwarze Meer mit dem atlantischen verknüpft, vollendet, vollbracht das Werk, was den jetzt zu weiten Umwegen gemüßigten Handel zwischen beiden Welttheilen in eine neue Bahn führt, und den direkten Austausch und Verkehr zwischen den Binnenvölkern Asiens und Europa’s nothwendig nach sich zieht: – dann wird die Idee, daß einst eine Sonne der Civilisation die Menschheit beider Continente erwärmen werde, auch dem phantasieärmsten Kopfe etwas mehr als Chimäre seyn.
In der Landschaft Albanien umziehen und scheiden gleichsam von der übrigen Erde hohe Gebirgskämme einen Raum von etwa 11 Geviertmeilen, den Kräfte, die nicht der Natur anzugehören scheinen, in schauerlich-prachtvolle Formen drückten. Gegen hundert Felspyramiden, meistens kahles Gestein, steigen aus tiefen, dunkeln Thälern, oder von finstern Schluchten und bodenlosen Abgründen umgeben, empor, in denen man das Rauschen unterirdischer Gewässer hört. „Man denkt ein übrig gebliebenes Stück vom alten Chaos zu sehen,“ sagt ein reisender Britte.
Es ist diese unheimliche Gegend jene berühmte, in der, nach der Mythe der alten Griechen, die Giganten einst den Himmel stürmten, und wo der Acheron strömt, an dessen Ufern die Geisterschaaren der Verstorbenen irrten. Seit alter Zeit war sie unbewohnt und von Menschen gemieden. Erst zu Anfang des 17ten Jahrhunderts suchten einige christliche Familien aus Albanien, als die Türken mit Feuer und Schwert ihr Vaterland verwüsteten, hier ein Asyl. Allmählich gesellten sich mehre zu ihnen, und gemeinschaftlich erbauten sie dann auf eine der unzugänglichsten Spitzen
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Dritter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam und New York 1836, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_3._Band_1836.djvu/84&oldid=- (Version vom 31.7.2024)