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Seite:Meyers Universum 4. Band 1837.djvu/184

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Lahneck ist die Ruine am rechten Ufer. Geisterhaft erheben sich die geschwärzten Mauern und Thürme dieser alten, schon im 16ten Jahrhunderte zerstörten Tempelherrenburg von ihren Felsen, deren häufig besuchte Zinnen eine zwar nicht weite, aber höchst malerische Aussicht beherrschen. Hier und auf dem Kastell gegenüber (das zum Theil noch bewohnt ist) hielten sich oft die Kurfürsten des Reichs auf, wenn sie auf dem nahen Königsstuhl Wahl gehalten hatten für das Reichsoberhaupt, oder Gericht über dasselbe gepflogen. Mehre Wahlurkunden datiren von diesen Burgen und auch jene merkwürdige, welche am 20. August 1400 den Kaiser Wenzeslaus, weil er „anvertraute Gewalt gemißbraucht zu schlechtem Regiment, zu Raub am Volk und an der Freiheit“ unwürdig erklärte Deutsche zu regieren und ihn des Thrones entsetzte.

Der Königsstuhl stand auf einem Berge am linken Rheinufer, etwa eine Stunde von Oberlahnstein, beim Flecken Rhens. Es war ein steinernes, kapellenartiges Achteck, unten offen und ruhte auf 8 Bogen. Um eine runde Säule in der Mitte wand sich die Treppe, die zu den Steinsitzen der acht Kurfürsten auf der Zinne führte. Ihr Thronhimmel war der Himmel selbst. Hier, wo sich das deutsche Land herrlich vor ihren Augen ausbreitete und Deutschlands Strom zu ihren Füßen sich wälzte, sichtbar allem Volke, versammelten sich die Kurfürsten, nicht blos zur Königswahl, sondern auch, um über die wichtigsten Reichsangelegenheiten zu rathschlagen; hier wurde der Landfriede beschlossen; hier wurde Gericht gehalten über Volksdrücker und Freiheitsdiebe; über Staatsverbrecher mit Krone und Purpur.

Die Aufrichtung dieses Nationalheiligthums geht in die Dämmerungszeit deutscher Geschichte zurück. Es war schon längst außer Gebrauch gekommen, als im 17ten Jahrhundert ein Blitzstrahl es zerstörte. 1624 wieder aufgebaut, ward dieses ehrwürdige Denkmal der Freiheit 1792 zum zweitenmale zertrümmert; – nicht von den Wettern des Allmächtigen, sondern von der Freiheit neufränkischen Söhnen, welche, wahrscheinlich vom Namen irregeleitet, in antiroyalistischem Eifer das Werk bis auf den Grund schleiften, und die Quadersteine wegführten und verkauften.

Aber das Andenken des Volks wird die Stätte noch lange feiern, und kein deutscher Wanderer sie betreten ohne ernste Vergleichung von Einst und Jetzt, oder sie verlassen mit einem andern Gefühle, als dem tiefer Wehmuth.