Zum Inhalt springen

Seite:Meyers Universum 4. Band 1837.djvu/239

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Gränze einpassirt, in eine große Schuppe zusammengesperrt und nach 3 oder 5 schlimmen Tagen, während welcher sich jeder beköstigen und betten mag, so gut er kann, läßt man den Haufen, nachdem er summarisch geräuchert und mit Essig besprengt worden, weiter ziehen. Dringt aber die Pest nahe an die Gränzen vor, dann hört alle Kommunikation unter den Bewohnern auf.

Endlich gehen die drei langen Marterwochen zu Ende. Am letzten Morgen erscheinen Doktor und Apotheker mit Gehülfen, die sprühende Kohlpfannen tragen; jene werfen Salpeter handvollweiß darauf, und die Kerls marschiren um den auf Erlösung Harrenden herum wie Zauberer, ihn in ihrem höllischen Dampfe fast erstickend. Der Inspektor kömmt und zählt die vorher mit Pestessig besprengten Kleider und Wäsche, während ein Schreiber das Verzeichniß derselben laut abliest. Trifft Alles richtig zu, so werden sie in „grausiger Ordnung“ wieder in Koffer und Mantelsack gepackt. Der Inspector wechselt mit dem Arzte ein paar Fragen, tritt dann zu dem Reisenden und erklärt ihm in höflichem Tone: er sey rein. Er vernimmt es, wie das „Gnade!“ ein Verurtheilter. Aber nun erscheinen eine Anzahl Personen, zum Theil mit schmählichen Rechnungen, zum Theil mit trotzender, bittender Miene, Trinkgelder für geleistete und nicht geleistete Dienste erwartend; – für Alles muß bezahlt werden, und das Nachtlager auf der harten Pritsche kostet mehr als das Eiderdaunen-Bett eines Hotels in Paris.

Ein äußerst romantischer Weg führt von Xupanek an dem linken Ufer der schäumenden Cserna hin und dann durch das Bella-Recca-Thal nach Mehadia, einem schönen Flecken, in dessen Nähe merkwürdige Ueberreste einer Römerstraße, einer Wasserleitung und die Ruinen eines Castrums, aus der Zeit Trajans, sehenswerth sind. Die berühmten, schon den Römern bekannten Herkulesbäder liegen eine Meile von Mahadia entfernt in einem engen, von hohen, waldigen Bergen umschlossenen Thale, das von der Cserna durchströmt wird. Man findet hier, in diesem fernen Winkel Ungarns, alle Annehmlichkeiten eines fashionablen Kurorts, elegant eingerichtete Wohngebäude, vortreffliche Gast- und Traiteurhäuser, Versammlungssäle, Casino, Lesekabinets, Theater etc. etc. – und so reizende Parkanlagen und Spaziergänge, als in irgend einem Bade Deutschlands und der Schweiz. Die nahe Gebirgswelt zeigt sich im Schmucke der schönsten Alpenlandschaften: Wasserfälle, Gießbäche, Bergschluchten, Felsenhöhlen, und kleine stille Seen in heimlichen Gründen. Jenseits Mehadia wird der letzte Arm des Gebirgs überstiegen, und von seinem Kamm fällt der Blick auf die ungeheuere, sich bis Pesth erstreckende Ebene, die den Flächenraum von halb Preussen einnimmt. Unabsehlich streckt sie sich aus, von schimmernden Strömen wie von silbernen Heerstraßen durchzogen.

Bald sind die Höhen verlassen und man ist eingetreten in das ungarische Tiefland. Keine einzelne Häuser mehr, wie in der Moldau und Walachei; sondern weit aus einander liegende große Dörfer mit regelmäßigen Straßen; die Häuser einförmig, aus Lehmbacksteinen, mit Strohdächern, langweilig anzusehen. Keine großen Oekonomie-Gebäude hinter den Häusern: das Getreide liegt im Freien aufgeschichtet, des Ueberflusses Unwerth verrathend. Selten eine Obstpflanzung, oder ein Garten an einem Bauernhause, oder sonst etwas, was andeute, daß