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Seite:Meyers Universum 5. Band 1838.djvu/157

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CCXX. Der Donaustrudel.




Wäre es nicht eine alte Krankheit des Menschen, in der fernen Fremde zu hoffen und zu suchen, was er in der nahen Heimath verschmäht, dann könnte man nicht begreifen, wie es möglich ist, daß die reichen, reiselustigen Menschen mit ihrem Gelde in fremden Ländern und oft fremden Welttheilen entlegene Genüsse einer üppigen und schönen Natur kaufen, die herrlichen Gauen und romantischen Thäler der Donau aber bis auf die neueste Zeit, verhältnißmäßig, von ihnen wenig besucht worden sind. Erst in unsern Tagen hat die Dampfschifffahrt und ihre Bequemlichkeiten den Bann dieser Gegenden gelöst und manchen bisher wenig bekannten Namen in der Reisewelt berühmt gemacht. Einen solchen führt das schöne Bild hierneben.

Von Linz stromabwärts, halbwegs nach Grein, breitet sich die Donau in der Ebene weit aus und theilt sich in mehre Arme, die eben so viele Inseln bilden. Erst nahe bei Grein treten die Ufer wieder näher zusammen, und das Thal verengt sich zu einer tiefen Schlucht, an welcher jenes Städtchen mit der nobeln Greinburg malerisch sich lagert. Der Strom macht hier, hoch aufgethürmt in seinem Felsenbette, den gefürchteten Greinerschwall als Vorboten des größern, gleichartigen Naturschauspiels, auf das von dort der Schiffer mit feierlicher Stille vorsichtig zusteuert. Schon von ferne warnt dumpfes Brausen und das unruhige Wirbeln der Gewässer. Die Felseninsel Wörth, gekrönt mit den Ruinen einer alten Burg, der Werfenstein genannt, auf welcher ein berüchtigtes Schnapphahngeschlecht auf Raub lauerte, der an armen, nothleidenden Schiffern leicht zu begehen war, theilt den Strom in 2 Arme. Jener zur Rechten, der sogenannte Hößgang, fließt ruhig dahin; kann aber leider! nur bei sehr hohem Wasserstande zur Fahrt benutzt werden. Der zur Linken bildet den Strudel, der Donau-Schiffer Schreckbild, wie es das Bingerloch für die Schiffer des Rheins früher gewesen. Dort, wie da, bildet ein den Fluß quer durchsetzendes Felsriff eine furchtbare Brandung und eine noch immer nicht ganz gefahrlose Passage, obschon sie Joseph der Zweite durch Sprengen mit Pulver unter dem Wasser erweitern ließ. Bei dem Markte Struden, der pittoresk am Uferrande unter einem überhängenden Felsen erbaut ist, hat man zum Ueberschauen dieses erhabenen Naturschauspiels den besten Standpunkt. Von diesem geschah auch die Aufnahme unserer Abbildung.



Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1838, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_5._Band_1838.djvu/157&oldid=- (Version vom 26.10.2024)